Die unnötigen Platzverweise für Lois Openda und Benjamin Sesko in Stuttgart verschärfen die Personalmisere bei RB Leipzig enorm. Marco Rose ist als Improvisations-Trainer gefragt und gefordert.
Gnädiger Umgang mit Openda
Sieben Profis fallen definitiv aus, zwei weitere Spieler sind allenfalls als Teilzeitkräfte eine Option – und auch bei den zurückgekehrten Langzeitverletzten Xavi und David Raum steht das Thema Belastungssteuerung noch immer im Vordergrund: Die Personalsorgen des vergangenen Jahres haben sich bei RB Leipzig zum Rückrundenstart nicht nur fortgesetzt, sondern gar noch zugespitzt. Dass sich die beiden Torgaranten Benjamin Sesko und Lois Openda am Mittwoch bei der bitteren 1:2-Pleite in Stuttgart jeweils durch Unbeherrschtheiten die Gelb-Rote-Karte eingehandelt hatten, verschärft die Lage für Marco Rose zusätzlich.
Der Coach muss ohne gelernten Angreifer die Aufgabe beim erstarkten Abstiegskandidaten VfL Bochum (Samstag, 15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) angehen. Da André Silva, ohnehin Verkaufskandidat noch im Winter, wegen Wadenproblemen ausfällt, ist Yussuf Poulsen der einzige gelernte Stürmer im Aufgebot. Allerdings hat der Däne nach zweieinhalbmonatiger Zwangspause wegen einer schweren Oberschenkelverletzung gerade erst das Mannschaftstraining aufgenommen. Mehr als ein Kurzeinsatz des RB-Urgesteins, der von der Physis lebt, wäre daher verantwortungslos.
„Wir sind nicht mit einsatzfähigen Offensivspielern gesegnet, insofern stellt sich einiges von alleine auf. Wir haben uns etwas einfallen lassen“, sagte Rose bei der Pressekonferenz am Freitag, ohne konkreter werden zu wollen. Rose ist gefordert, als Improvisations-Trainer Lösungen zu finden. Die naheliegende Variante ist, dass der Coach in vorderster Linie ein Triumvirat mit Xavi, Antonio Nusa und Christoph Baumgartner bildet, wobei der Österreicher wohl im Zentrum auflaufen soll. „Baumi wird eine wichtige Rolle haben“, kündigte er für den 25-Jährigen an. Baumgartner war im bisherigen Bundesliga-Saisonverlauf (1 Tor, 1 Assist) auch deshalb weitgehend wirkungslos geblieben, weil er hinter Sesko und Openda meist einen weiten Weg zum gegnerischen Tor hatte. Das dürfte sich diesmal ändern.
Aus Opendas Platzverweis „gemeinschaftlich lernen“
Mit den beiden Rot-Sündern ging Rose auch im Nachgang bemerkenswert gnädig um. An Seskos Ampelkarte wollte er sich ohnehin nicht groß aufhalten, weil zwei Fouls dazu geführt hätten – auch wenn in der zweiten Attacke gegen Angelo Stiller augenscheinlich reichlich Frust im überharten Spiel war. Ganz offensichtlich war dies bei Opendas Schubser gegen Jamie Leweling der Fall, nach dem sich der Nationalspieler theatralisch fallen ließ. „Wir behandeln das intern, ich werde meinen Jungen nicht öffentlich ins Achtung stellen“, vermied Rose jeden Anflug von öffentlicher Schelte und fügte stattdessen hinzu: „Er ist ein guter Junge, daraus werden wir gemeinschaftlich lernen.“
Fakt ist: Durch die Pleite in Stuttgart und den Kontrollverlust der beiden Torgaranten ist der Druck, Platz 4 verteidigen zu müssen, enorm und die die vermeintliche Pflichtübung in Bochum plötzlich eine Härteprüfung. „Wir wissen, wie schwer es in Bochum sein kann und wie schwer es ist. Die Tendenz der letzten beiden Spiele war ordentlich, wir brauchen diese Widerstandskraft auch in Bochum“, sagte Rose. Von bisher zwölf Partien gegen die Bochumer hat Leipzig zehn gewonnen, die einzige Niederlage kassierte man vor knapp zwei Jahren (0:1).
Knochenödem? Rose bei Schlager reserviert
Weiter verzichten muss Rose auch auf Mittelfeld-Dampfmacher Xaver Schlager, der sich beim Testspiel gegen Banik Most eine Knieverletzung zugezogen hatte. Die von Österreichs Nationalcoach Ralf Rangnick in einem ORF-Interview geäußerte Mutmaßung, der gerade von einem Kreuzbandriss genesene Schlager habe sich „wohl ein Knochenödem“ zugezogen, wurde von Rose weder bestätigt noch dementiert. Der Coach betonte lediglich, dass das Knie des Österreichs stabil und der Bandapparat unbeschädigt sei: „Es ist schon ein ganzes Stück besser, aber er kann morgen höchstwahrscheinlich nicht dabei sein.“
Vermeeren soll der neue Fixpunkt werden
Dagegen kann Rose nach abgelaufener Gelbsperre wieder auf Amadou Haidara setzen, möglicherweise als Nebenmann von Arthur Vermeeren. Der erst 19-jährige Belgier hatte am Mittwoch nach seinem bereits 22. Pflichtspiel für RB die Grundlage erfüllt, dass die Ausleihe von Atletico Madrid in einer Kaufpflicht greift. Am Freitag gab Leipzig bekannt, dass Vermeeren einen Vertrag bis 2029 unterschrieben habe. Die Ablöse liegt bei gut 20 Millionen Euro und dürfte damit für RB zu einer lohnenden Investition werden.
„Er ist als 19-Jähriger für diese Position schon sehr weit mit allen Dingen, die noch verbesserungswürdig sind. Vielleicht kann er ein Spieler werden, der über viele Jahre eine Achse bildet“, sagte Rose über Vermeeren, der seit seiner Ankunft abgesehen von einer Gelbsperre in der Ligapartie gegen Eintracht Frankfurt und einer Schonung in der Champions League bei Celtic Glasgow in jeden Pflichtspiel aufgelaufen ist. Und auch in Bochum zum Einsatz kommen wird.