Das bittere 3:4 gegen Bayer Leverkusen stellt für den VfB Stuttgart die fünfte Bundesliga-Partie in Serie ohne Sieg dar. Die Verantwortlichen sprechen auch von Pech – bei drei Gegentoren aber tritt eine altbekannte Problematik auf.
Altbekannte VfB-Problematik
Gegen Bayer Leverkusen, das haben nahezu alle Bundesligisten und einige, auch große europäische Mannschaften in den vergangenen zwei Jahren erleben müssen, kann man mal verlieren. Auch wenn die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso nach drei eigenen Niederlagen in Serie und ohne ihren Ausnahmeprofi Florian Wirtz nach Bad Cannstatt anreisen musste.
Der VfB hatte dies ganz augenscheinlich gespürt und dank hoher Einsatzbereitschaft und Zweikampfschärfe die Partie gegen den Double-Sieger lange im Griff. „Wir haben leidenschaftlich gespielt, mutig und im Ballbesitz dynamisch gespielt“, lobte Sebastian Hoeneß. Diese Schärfe dürfte ganz im Sinne des Coaches gewesen sein, der nach dem 2:2 bei Holstein Kiel in der Vorwoche die Zügel merklich angezogen hatte.
„Das sind Nackenschläge für uns“
Weniger in Hoeneß‘ Sinne dagegen gestaltete sich der Spielverlauf nach der 2:0- und der 3:1-Führung. Aus Sicht des 42-Jährigen war „der Knackpunkt für das Endergebnis, dass wir jeweils zu früh die Gegentore bekommen. Das sind Nackenschläge für uns und für die Leverkusener die Möglichkeit, Moral zu schöpfen.“ Acht und sechs Minuten lagen zwischen den Treffern, die den Zwei-Tore-Abstand herstellten, und dem jeweiligen Anschlusstor der Gäste. Durchaus denkbar, dass solche Ereignisse eine nach vier sieglosen Partien ohnehin nicht vor Selbstvertrauen strotzende Mannschaft zusätzlich verunsichern.
Dem VfB fehlt ein Ankerspieler
Das Problem, das in dieser Saison wiederholt auftritt bei den Schwaben: In derartigen Situationen fehlt ein Ankerspieler, wie ihn Bayer beispielsweise in Granit Xhaka hat. Ein Profi, der permanent Ruhe ausstrahlt, die Gewissheit des Sieges im Kopf, der auch mal auf den Ball tritt, das Tempo verschleppt. Ein Angelo Stiller kann das generell, durchlebt aber mit seinen 23 Jahren gerade eine Phase mit Licht und Schatten. Von (vermeintlich) arrivierten Kräften muss in solchen Situationen mehr kommen.
Natürlich hat Hoeneß nicht Unrecht, wenn er die ersten drei Gegentore jeweils ähnlich einordnet: „Die Gegentore bekommen wir auf eine Art und Weise, die brutal ist.“ Beim vierten habe er sich schon mehr aufgeregt, „weil wir da nicht gut verteidigen. Das war gefühlt das vermeidbarste.“ VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth pflichtete seinem Trainer bei: „Wir haben die Standards zwar verteidigt, aber der Ball wurde zwei-, dreimal so abgefälscht, dass der dem Gegner vor die Füße fiel. Da war dann auch ein Stück weit Pech dabei, aber das ist keinesfalls ein Alibi.“
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Wenn man betrachtet, dass sich Enzo Millot, der das 2:0 noch ganz fein vorbereitet, vor dem 2:1 nur nach vorne orientiert, statt Jeremie Frimpong zu markieren. Wenn man bedenkt, dass Ameen Al-Dakhil vor dem 3:2 nicht hochsteigt gegen Nordi Mukiele. Wenn man sieht, dass Josha Vagnoman (mit den Kollegen Chabot und Karazor im Rücken) vor dem 3:3 nicht den Zweikampf mit Victor Boniface sucht. Dann lässt sich schwerlich nur von Pech sprechen, sondern am Ende wiederholt auch von mangelhafter defensiver Konsequenz, die der VfB in den ersten 45 Minuten noch wehrhaft aufs Grün gebracht hatte. Und in dieser ersten Hälfte war bei weitem nicht alles Gold, was glänzte, es sei an mehrere Ungenauigkeiten im Aufbau erinnert. Der Unterschied zum zweiten Durchgang: Da besserten die Platzherren diese Fehler noch mit dem Messer zwischen den Zähnen aus.
„Wir müssen noch ein bisschen tiefer graben“
Jenes Spannungsproblem in leistungstechnisch eigentlich stabilen Spielen ist ein wiederkehrendes Phänomen beim Vize-Meister, das es mit Blick auf den Schlussspurt endlich einzukassieren gilt. Hoeneß gibt sich kämpferisch: „Wir müssen da gemeinsam durch, noch ein bisschen tiefer graben und den Bock umstoßen. Das werden wir auch tun.“