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Viel Vertrauen und ein Risiko: Freiburgs geschlossene Gesellschaft

Die Stammformation von Julian Schuster genießt ligaweit das größte Vertrauen. Der Erfolg bestätigt Freiburgs neuen Coach weitgehend, doch zuletzt stockte die Offensive. Und auf Sicht enthält die Strategie mit wenig Startelfwechseln automatisch ein Risiko.

Schuster mit den wenigsten Startelfwechseln in der Liga

Am Donnerstag im Test beim Karlsruher SC konnte Lucas Höler Werbung in eigener Sache betreiben. Er schoss beim 1:0-Erfolg das Tor des Tages. In der Bundesliga wartet der Stürmer noch auf seinen ersten Treffer in dieser Saison – und auf den ersten Startelfeinsatz. Eine äußert ungewohnte Situation für die langjährige Säule, die sich schon recht schnell nach dem Wechsel Anfang 2018 von Zweitligist Sandhausen im Kreise des Freiburger Stammpersonals etabliert hatte.

Doch seit dem Ligastart unter dem neuen Trainer Julian Schuster ist im 4-2-3-1 ganz vorne Junior Adamu gesetzt. Der österreichische Sommerzugang des Jahres 2023, der in seiner ersten Spielzeit noch als Transferflop einzustufen war, hat während der Sommervorbereitung eine eindrucksvolle Wandlung vollzogen. Adamu istTeil einer aktuell sehr klar umrissenen Freiburger Stammelf, die schon sechsmal in identischer Besetzung von Schuster ins Bundesligarennen geschickt wurde. Das ist mit Abstand der höchste Wert in der Liga, kein anderer Klub hat mehr als zweimal dieselbe Anfangsformation nominiert.

Meister und Vizemeister bisher mit den meisten Startelfwechseln

Schuster ist mit Abstand der Trainer, der personell zum Anpfiff bisher am wenigsten geändert hat. Sieben Startelfwechsel sind es nur bei neun Wechselmöglichkeiten an den ersten zehn Spieltagen. Es folgt St. Paulis Alexander Blessin mit zehn Startelfwechseln – am anderen Ende der Skala stehen der Meister und der Vizemeister. Bei Leverkusen und Stuttgart, beide zwischendurch auch international im Einsatz, gab es bisher 25 Veränderungen bei den Startelfmandaten. Auch Aufsteiger und Kellerkind wechselte oft (24).

Schusters Strategie zeugt von viel Vertrauen für sein Stammpersonal. Der Erfolg gibt im bisher weitgehend Recht. 15 Punkte nach sieben Partien bedeuteten einen neuen Freiburger Startrekord. Doch, wenn die Ergebnisse nicht mehr ganz so rosig ausfallen, wie zuletzt, als auf das 1:3 in Leipzig die Nullnummern gegen Mainz und bei Union Berlin folgten, steigt naturgemäß die Wahrscheinlichkeit für eine kritischere Betrachtung der Personalpolitik – intern wie extern.

Klar gesunkene Einsatzzeiten: Höler und weitere namhafte SC-Profis

Beispiel Adamu: Nach starkem Saisonstart sprachen durchaus ein paar Argumente dafür, Adamu erstmals in der Liga zu Beginn auf der Bank zu lassen und Höler seine erste Startelfchance zu gewähren. Doch Schuster zeigte sich nach fünf eher schwächeren Auftritten in Serie weiterhin weitgehend zufrieden mit Adamu und ließ ihn in Berlin-Köpenick erneut starten. Bei allem ihm nie abzusprechenden läuferischen Engagement und einem guten Laufweg in der Entstehung des (vergebenen) Freiburger Strafstoßes blieb Adamu wieder glücklos, vergab wie etwa in Leipzig und gegen Mainz eine Großchance.

Doch auch Joker Höler, der gegen Augsburg (3:1) und Mainz sogar gänzlich draußen geblieben war, konnte in der Schlussphase eine große Chance nicht verwerten. Dennoch zählt Höler zu den vielen Reservisten im recht üppigen 28-er Kader, denen Schusters großes Vertrauen in die elf Auserwählten zunehmend gegen den Strich gehen dürfte. Der über noch mehr Jahre auf der Sechs gesetzte Nicolas Höfler, Österreichs Nationalstürmer Michael Gregoritsch, der am Donnerstag beim 2:0-Sieg in Kasachstan mal wieder für den ÖFB traf, sowie der französische Olympia-Silbermedaillengewinner Kiliann Sildillia – drei weitere namhafte Beispiele von SC-Profis, deren Spielanteile seit Sommer deutlich gesunken sind. Dazu kommen Akteure wie der aufstrebende Youngster Max Rosenfelder oder Noah Weißhaupt, der als etwas älteres Eigengewächs diese Saison eigentlich einen Schritt nach vorne machen wollte.

Lob für Einstellung der Reservisten – fällt Dinkci aus?

„Es ist bemerkenswert, wie sich die Jungs, die sich gerade hinten anstellen müssen, auf dem Trainingsplatz verhalten. Das ist keine Selbstvertständlichkeit, das weiß ich sehr zu schätzen“, sagte Schuster nach dem 0:0 bei Union. Der neue Coach dürfte aber wissen, dass sich das, abhängig von seinen Entscheidungen, auch ändern kann.

Mit Blick auf Eren Dinkci, der nach Merlin Röhls Verletzung in die Stammelf gerutscht war, gibt es auch ein positives Beispiel für Schusters Geduld. Der Sommerzugang zeigte nach schwächeren Auftritten in Berlin seine bisher beste Leistung im SC-Trikot. Aktuell ist er allerdings nach Angaben des türkischen Verbandes wegen einer Knieverletzung von der Nationalmannschaft abgereist. Ob ihm ein längerer Ausfall droht, ist noch nicht bekannt.

Das automatische Risiko

Davon unabhängig beinhaltet Schusters Strategie ganz automatisch das Risiko, einige unzufriedene Akteure auf Strecke ein Stück weit zu „verlieren“. Das muss, gerade beim SC, nicht direkt offen zur Schau gestellte Stimmung bedeuten, sondern könnte zumindest bei einen oder anderen für sinkende Trainingsqualität sorgen. Was zumindest zum Teil auch unbewusst passieren kann, wenn sich das Gefühl der eingetrübten Aussicht auf ein Startelfmandat verfestigt.

Natürlich gibt es auch die Chance, sich über Joker-Einsätze – Schuster greift fast immer auf fünf Wechsel zurück – für mehr zu empfehlen. Das ist beispielsweise Höler nicht immer überzeugend gelungen. Das gehört genauso zur Gesamtbetrachtung wie der Umstand, dass die Ausprägung des Trainervertrauens die Leistung beeinflussen kann und sich manche Spieler in mindestens 60, 70 Minuten vom Start weg auf dem Rasen besser entfalten können als in einem Kurzeinsatz gegen Ende der Partie. Schuster Personalwahl am Samstag in Dortmund, die auch vom Zustand der neben Dinkci zehn weiteren abgestellten Nationalspieler abhängen wird, verspricht jedenfalls mal wieder Spannung.

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