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VfB vs. Bayer: Der Hingucker als Richtungsspiel

In Leverkusens Double-Saison waren die Duelle mit dem VfB die fußballerischen Highlights in der Republik. Jetzt treffen in Stuttgart zwei Teams im Tief aufeinander. Die Partie hat für beide richtungsweisende Bedeutung – wenn auch in ganz unterschiedlicher Form.

Meister und Vize akut im Tief

Es waren die Hingucker der Vorsaison. Die Duelle zwischen Bayer 04 und dem VfB Stuttgart gehörten zu den Delikatessstücken, die die Liga zu bieten hatte. Feiner wie intensiver Fußball auf höchstem nationalem Niveau. Das galt für alle drei Aufeinandertreffen, beim 1:1 in Stuttgart und beim 2:2 in Leverkusen in der Bundesliga wie auch beim Viertelfinal-Krimi in der BayArena, den Leverkusen damals in letzter Minute durch Jonathan Tah 3:2 für sich entschied.

Es waren die besten, hochklassigsten Spiele, die Fußball-Deutschland zu bieten hatte. Nicht umsonst landeten am Ende auch diese beiden Klubs auf den Plätzen 1 und 2 in der Liga – noch vor Branchen-Riese Bayern München.

„Stuttgart ist eine der besten Mannschaften in Deutschland. Es wird anspruchsvoll.“ (Xabi Alonso)

Die gegenseitige Wertschätzung der beiden Trainer, Xabi Alonso und Sebastian Hoeneß, ist groß. „Wie sie spielen, ist es für mich eine der besten Mannschaften in Deutschland. Sie sind sicherlich eine der Mannschaften, die man sich gerne anschaut“, urteilte Xabi Alonso jetzt  vor dem Duell im Schwabenland, „Sebastian Hoeneß macht einen guten Job. Es wird anspruchsvoll.“

Das gilt für beide Mannschaften, diesmal aus einem nicht wirklich erquicklichen Grund, erleben sie doch gerade ein Formtief. Der VfB hat aus den jüngsten vier Spielen nur zwei Punkte geholt – bei den beiden Abstiegskandidaten, der TSG Hoffenheim (1:1) und in Kiel (2:2). Bayer hat zuletzt sogar dreimal nacheinander verloren und damit innerhalb von sieben Tagen so viele Niederlagen kassiert wie zuvor in der gesamten Saison. Zudem blieb die Werkself, eigentlich eine Tormaschine, dreimal torlos. Und das nicht ohne Grund, waren die Leistungen doch insgesamt nie gut – und offensiv dreimal äußerst übersichtlich.

Ergebnisse, Leistungen, Verletzungen – der Trend ist nicht Bayers Friend

Der Trend ist nicht Bayers Friend. Dafür hat sich Hiob ein Abo beim Double-Gewinner gesichert: Nach den schon länger und bis Saisonende ausfallenden Martin Terrier und Jeanuel Belocian meldeten sich nun innerhalb weniger Tage erst Topstar Florian Wirtz, die beiden Innenverteidiger Mario Hermoso und Edmond Tapsoba, sowie Angreifer Nathan Tella ab. Letzterer ist der einzige, der sicher nur das Stuttgart-Spiel verpasst.

Und dann musste auch noch Xabi Alonso in drei aufeinanderfolgenden Spielen feststellen, dass sein jeweiliger Matchplan nicht passte. Vieles, was über mehr als eineinhalb Jahre selbstverständlich erschien, war dreimal auf einmal ganz anders.

„Ich spüre den gleichen Druck – nicht mehr.“ (Xabi Alonso)

Rundum: Es ist ein absolutes Kontrastprogramm, eine komische und völlig ungewohnte Gemengelage für Bayer 04. Wie die Werkself mit ihr umgeht, wird interessant zu beobachten sein. Der Trainer selbst nimmt für sich keine veränderte Situation wahr, sagt er: „Nein, ich spüre den gleichen Druck – nicht mehr.“

Der 43-Jährige hat ohnehin einen eigenen Ansatz mit den drei Tiefschlägen umzugehen. So hatte Xabi Alonso schon direkt nach dem Aus gegen den FC Bayern in der Champions League seine eigene Lesart der drei Niederlagen erklärt. Man sei aus der Königsklasse ausgeschieden – und habe in der Liga nur ein Spiel verloren.

Xabi Alonsos Lesart der drei Niederlagen ist ein psychologischer Kniff

Der Ansatz ist natürlich ein psychologischer Kniff, der allerdings nicht ganz abwegig ist. Drei Niederlagen in Serie sind zwar einerseits für ein Spitzenteam wie Bayer eine Krise. Wenn zwei Spiele davon aber gegen den FC Bayern in der Königsklasse verloren gehen, relativiert dies diese Minus-Bilanz jedoch erheblich.

Umgekehrt war oder ist ein Mosaikstein der Leverkusener Stärke auch das Vertrauen und die Gewissheit, dass man Spiele immer wieder auf seine Seite ziehen konnte und national kaum zu schlagen war. In den zurückliegenden 59 Bundesligaspielen ging Bayer nur zweimal als Verlierer vom Platz. Die Frage ist jetzt: Ist dieses Gefühl, das zuvor nur der FC Bayern kannte, über dem großen Rest der Liga zu stehen, durch die drei Wettbewerb übergreifenden Niederlagen angeknackst? Oder verändert die eine Niederlage in der Liga gegen Bremen nichts am Leverkusener Selbstvertrauen?

„Es ist ein großes Ziel für uns, dass wir eine gute emotionale Kontrolle behalten.“ (Xabi Alonso)

„Es ist ein großes Ziel von uns, dass wir eine gute emotionale Kontrolle behalten und dem Ergebnis keinen so großen Einfluss zugestehen“, erklärt Xabi Alonso, „wir müssen die gleiche Einstellung, die gleiche Mentalität, die gleiche Vorbereitung für jedes Spiel haben, viel Vertrauen und Überzeugung in das, was wir machen. Wir müssen in den guten Zeiten mit den Füßen auf den Boden bleiben, und in den nicht so guten Momenten auch.“ Für Bayer geht es in Stuttgart weniger darum, ein Abrutschen in der Tabelle zu vermeiden – dafür ist der Vorsprung auf die Verfolger zu groß. Vielmehr steht nach dem Münchner 1:1 bei Union Berlin die vielleicht letzte Restchance auf den Titel sowie vor allem das eigene Selbstverständnis auf dem Spiel, das es zu bewahren gilt.

Am Sonntagabend folgt die Auflösung, ob dies dem Team von Xabi Alonso gelingt. Eine Niederlage würde Zweifel säen, die man dann mit in die Länderspielperiode nehmen würde. Ein Sieg beim VfB, für den es darum geht, nicht den Anschluss an Platz 4 zu verlieren, würde hingegen Xabi Alonsos Nur-eine-Niederlage-Theorie stützen und den Rückstand auf die Bayern auf sechs Punkte verkürzen. Und so ist die Partie VfB gegen Bayer auch am Sonntag ein Hingucker, wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen. Stellt dieses Aufeinandertreffen doch für beide Klubs in ganz unterschiedlicher Hinsicht ein Richtungsspiel dar.

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