Harry Kane steuert mit dem FC Bayern auf den ersten Titel seiner Karriere zu. Im Kopf hat der Top-Torjäger aber noch eine andere Trophäe.
Jagd nach dem ersten Titel
Alles wie immer eigentlich, auch am Freitag. Selbst ohne das Bayern-Trikot. Im ersten WM-Qualifikationsspiel der „neuen Three Lions“ unter Thomas Tuchel traf Harry Kane zum 2:0-Endstand gegen Albanien und bescherte dem England-Trainer damit den perfekten Einstand.
Er weiß ja, wie es unter Tuchel läuft. Schließlich war dieser im Sommer 2023 „ein wichtiger Grund, warum ich überhaupt zu Bayern München gegangen bin“, wie es Kane im Kreise der Nationalmannschaft erklärte. Unter Tuchels Regie hatte der Rekordeinkauf des Rekordmeisters eine beeindruckende Debütsaison in Deutschland hingelegt, in 44 Spielen 44 Tore und 14 Assists beigesteuert. Nur ein Titel sprang eben nicht heraus, wie bislang immer in der Karriere dieses Ausnahmekönners.
Acht Spieltage vor Schluss ist Kane nun drauf und dran, seinen Fluch endlich zu beenden. „Ich habe immer noch das Gefühl, dass wir einen langen Weg vor uns haben“, bremst er trotz sechs Punkten Vorsprung auf Verfolger Leverkusen. „Wir befinden uns in einer wirklich guten Position, aber ich weiß besser als jeder andere, wie schwierig es ist zu gewinnen und wie schnell sich die Dinge im Fußball ändern können, also lassen wir uns nicht hinreißen.“
„Das ist eines der besten Komplimente überhaupt.“ (Kane über Kompany)
Kane selbst trägt natürlich auch in dieser Saison einen entscheidenden Anteil am Erfolg der Bayern, selbst wenn der inzwischen 31-Jährige unter Tuchels Nachfolger Vincent Kompany nicht mehr ganz so astronomische Werte präsentiert. „Das ist wie bei Ronaldo und Messi, die diese verrückten Zahlen in die Welt gesetzt haben und in der nächsten Saison 40 statt 50 Tore geschossen haben“, wehrt er sich: „Es war, als hätten sie eine schlechte Saison gehabt. Die Leute nehmen es als selbstverständlich hin.“
Nach bislang 37 Pflichtspielen stehen immer noch bemerkenswerte 32 Tore und 15 Assists zu Buche, ergibt unterm Strich auch in dieser Saison deutlich mehr Scorerpunkte (47) als Spiele.
Dabei durchlebt der Top-Torjäger der Bundesliga gerade tatsächlich eine für ihn fast schon außergewöhnliche Durststrecke. In der Champions League brillierte Kane zwar im Achtelfinale gegen Leverkusen mit insgesamt vier Torbeteiligungen, in der Liga dagegen wartet er inzwischen seit fünf Partien auf einen Scorerpunkt. Einen solche Dürreperiode musste der Engländer zuletzt im Herbst 2021 im Trikot der Tottenham Hotspur verdauen.
Grund zur Sorge bereitet den Bayern das keineswegs, schließlich kam Kane in zwei dieser Spiele (beim 4:0 gegen Frankfurt und beim 2:3 gegen Bochum) nur zu Kurzeinsätzen. Außerdem hat der Neuner auch so einen wichtigen Einfluss aufs Bayern-Spiel, holt sich die Bälle (manchmal zu) oft tief in der eigenen Hälfte, setzt die Flügelspieler um Michael Olise mit perfekten Flugbällen in Szene und besticht seit Monaten besonders in der Rückwärtsbewegung.
„Es hilft natürlich, wenn man einen Top-Spieler hat, der noch laufen und kämpfen will für die Mannschaft wie ein A-Jugendspieler“, lobte Kompany jüngst: „Das hilft einfach, diese Energie.“ Kane nahm es dankend auf: „Das ist eines der besten Komplimente überhaupt.“
Wenngleich es in der Schlagzahl nicht ewig weitergehen kann für den Routinier. Diese Saison hat gezeigt, dass auch ein Vorzeigeprofi wie Kane das langsam fortschreitende Alter spürt und deshalb nicht mehr jede Sekunde in jedem Spiel mitwirken kann. Wer weiß, ob die Bayern ohne Kanes Muskelfaserriss im Dezember das Pokalaus gegen Leverkusen (0:1) verhindert hätten? Oder ob sie sich ohne Kanes Einblutung in der Wade etwas leichter getan hätten im Playoff-Rückspiel gegen Celtic (1:1), als der Angreifer zur Halbzeit ausgewechselt werden musste?
Im Sommer werden die Bayern sich umschauen nach einem Backup im Angriffszentrum, wobei abzuwarten bleibt, wie es zum Beispiel mit Mathys Tel weitergeht. Der junge Franzose fasst nach einem unglücklichen Halbjahr bei Bayern auch als Leihgabe in London bei Tottenham noch nicht wirklich Fuß, traf zwar einmal im FA Cup, konnte das Aus bei Aston Villa (1:2) aber dennoch nicht verhindern. Ob er überhaupt als wirklicher Neuner für den FC Bayern infrage kommt, darf aufgrund der jüngsten Eindrücke zumindest bezweifelt werden.
Die Zukunftsfragen darf Kane erstmal hintenanstellen, er konzentriert sich auf das alles Entscheidende in dieser Saison. An vorderster Stelle steht für den titellosen Torjäger nun endlich Titel Nummer eins. Und vielleicht, wer weiß, gleich noch der zweite hinterher, im „Finale dahoam“.
„Um so etwas zu erreichen, muss man genügend Titel gewinnen und wahrscheinlich mehr als 40 Tore schießen, aber das ist durchaus möglich.“ (Kane über den Ballon d’Or)
Ob er dann auch Chancen für sich sieht, beim Ballon d’Or ein Wörtchen mitzureden? „100 Prozent“, wagt Kane eine klare Ansage. „Das habe ich letzte Saison auch gefühlt, ich habe über 40 Tore geschossen, aber natürlich hätte ich den Ballon d’Or nie gewonnen, weil wir die Mannschaftstrophäen nicht gewonnen haben.“
Das kann in dieser Saison bekanntlich anders aussehen: „Um so etwas zu erreichen, muss man genügend Titel gewinnen und wahrscheinlich mehr als 40 Tore schießen, aber das ist durchaus möglich und definitiv etwas, das ich gerne erreichen würde.“