Noch ist nichts entschieden, aber die Weichen sind gestellt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hält die Schadensersatzforderung für Verdienstausfall von Ex-Schiedsrichter Manuel Gräfe zumindest für die erste Saison nach seinem Ausscheiden für angemessen. Bevor ein Urteil gesprochen wird, wollen Gräfe und der DFB noch einmal versuchen, aufeinander zuzugehen.
Gespräche über Comeback
Das Oberlandesgericht (OLG) teilt im Berufungsverfahren die Auffassung des Landgerichts (LG), dass die frühere Regelung, Schiedsrichter nicht länger als bis zum Alter von 47 Jahren im Profibereich einzusetzen, eine Altersdiskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) darstellt. Manuel Gräfe hatte in erster Instanz für den immateriellen Schaden eine Entschädigung in Höhe von 48.500 Euro zugesprochen bekommen.
Hinsichtlich des materiellen Schadens vertrat das OLG eine andere Auffassung als das LG. Gräfe habe für die erste Saison nach seinem Ausscheiden durchaus Anspruch auf einen Verdienstausfall. „Für die Zeit danach gilt das aber nicht“, betonte der Vorsitzende Richter Richard Kästner.
Nach Ansicht des Senats hätte der DFB triftige Gründe vorbringen müssen, warum er Gräfe ab der Saison 2021/22 nicht mehr einsetzen könne. Das habe es aber nicht gegeben – abgesehen von der Altersgrenze. Nach kicker-Noten war Gräfe sogar der beste Bundesliga-Schiedsrichter 2020/21. Für Gräfe ist die Einschätzung des OLG aber nur ein Teilerfolg, er klagt in der Berufung auf Schadensersatz wegen Verdienstausfall für drei Spielzeiten in der Höhe von insgesamt 830.000 Euro, wie der kicker am Montag exklusiv berichtete.
Bevor der OLG-Senat Anfang Juni ein Urteil verkündet, wollen beide Seiten noch einmal versuchen, aufeinander zuzugehen. „Es ist vieles auch im persönlichen Bereich schiefgelaufen“, sagte Richter Kästner. Während Gräfe lange darauf hoffte, dass für ihn wie später auch für Felix Brych eine Ausnahme in Sachen Altersgrenze gemacht oder diese aufgehoben wird, war die Entscheidung im Hintergrund wohl längst gefallen.
Das „Aus“ wurde Gräfe offenbar nicht mitgeteilt. Die notwendige Zustimmung des Präsidiums erfolgte am 26. Mai, Gräfe erfuhr davon nach eigenen Angaben „aus den Medien“. Dabei sieht die Schiedsrichterordnung eigentlich ein Beschwerdeverfahren vor. Diese Beschwerde muss eine Woche nach „Verkündung oder Zustellung der Entscheidung“ eingelegt werden. Da unklar ist, wann, wie und ob die Entscheidung kommuniziert wurde, scheiterte der DFB auch mit seinem Antrag, Gräfes Klage nach dem AGG abzuweisen, weil die dafür vorgeschriebene Zwei-Monats-Frist nicht eingehalten worden sei.
260.000 Euro Schadensersatz für die erste Saison?
„Es ging mir nie ums Geld, sondern darum, weiter pfeifen zu können. Meine Hand war immer ausgestreckt“, betonte Gräfe nach dem Ende der Verhandlung. Er könne sich sogar vorstellen, mit inzwischen 51 Jahren weiterzumachen. „Ich habe mich in den vergangenen Jahren fit gehalten, war im Sommer und im Winter im Trainingslager“, sagte Gräfe. Er verwies auf den Engländer Graham Scott, der 2023/24 mit 55 Jahren noch Spiele in der Premier League leitete.
Voraussetzung für ein Comeback wäre allerdings, dass die nun beginnenden Annäherungsversuche zwischen Gräfe und dem DFB erfolgreich verlaufen. Auf die Schadenersatzforderungen aus der ersten Saison nach seinem Rücktritt wird der Ex-Schiedsrichter dabei wohl kaum verzichten. Diese hatte er in erster Instanz auf 260.000 Euro beziffert. Scheitern die Gespräche, bleibt es bei der Urteilsverkündung am 5. Juni.