Paul Simonis stellt sich vor. Der neue Wolfsburger Trainer und seine ersten deutschen Worte. Seine Ziele und Pläne mit dem VfL – über den Spitznamen „Gouda Guardiola“ kann er gut lachen.
Neuzugänge stehen in den Startlöchern
Fünf Tage lang war er „bei den Nonnen“, wie es in den Niederlanden heißt. Fünf Tage Deutsch-Crashkurs im Institut Regina Coeli in Vught, um einigermaßen gerüstet zu sein für das, was kommt. „Guten Tag, ich bin Paul Simonis, ich bin sehr froh, hier zu sein. Ich freue mich, euch alle kennenzulernen, ich habe die letzten Tage sehr intensiv Deutsch gelernt. Ich verstehe jetzt viel, aber ich brauche noch etwas Zeit.“ Sein Start in neuer Sprache, dann ging es auf Englisch weiter. Sympathisch, offen und ehrlich antwortete der Bundesliga-Novize auf die vielen Fragen.
Schindzielorz‘ Anruf überraschte Simonis
Berührungen mit dem deutschen Fußball hatte er bereits in der vergangenen Saison. Kees van Wonderen, sein Mentor, wie Simonis sagt, trainierte den FC Schalke 04. Deventer-Coach Simonis, der unter van Wonderen auf zwei Stationen als Co-Trainer gearbeitet hatte, schaute mehrfach zu. Und war nicht abgeschreckt vom Abenteuer Bundesliga, als nun der VfL Wolfsburg anklopfte. Überrascht sei er vielmehr gewesen, räumt der 40-Jährige ein, als sich Sebastian Schindzielorz im Mai bei ihm gemeldet hat. Warum überrascht? „Ich war erst elf Monate Cheftrainer in der Eredivisie. Aber wenn man diese Chance bekommt, dann muss man sie ergreifen.“
Den kleinen Klub aus Deventer führte er in der vergangenen Saison zum ersten Pokalsieg der Vereinsgeschichte, dazu auf Rang 7 in den Niederlanden. Die Go Ahead Eagles spielten einen attraktiven Fußball und waren ohnehin schon länger auf dem Radar von Wolfsburgs Geschäftsführer Peter Christiansen. Der schaute, als ihm gewiss war, dass er einen Nachfolger für Ralph Hasenhüttl finden muss, noch mal genauer drauf und verliebte sich in die Idee, diesen noch weitgehend unbekannten Trainertypen nach Deutschland zu holen. Die Liste der Trainerkandidaten wurde von Woche zu Woche kleiner, Simonis blieb stets dabei.
„Wichtiger ist die Art, wie du bist, deine Arbeitsethik, das Verständnis für den Fußball.“ (Geschäftsführer Peter Christiansen über den noch unerfahrenen Trainer Paul Simonis)
Nun sitzt er auf dem Podium im Medienraum der Volkswagen-Arena, alles ein bisschen größer als in Deventer. Simonis legt die Nervosität schnell ab, weicht keinen Fragen aus, kommt smart rüber, demonstriert Einigkeit mit Christiansen, der an seiner Seite Platz genommen hat. Der neue Coach hört gebannt zu, wie „PC“ erklärt, warum er gerade diesen Trainer für den VfL verpflichtet hat. „Ich respektiere Erfahrung“, betont der Däne. „Aber wichtiger ist die Art, wie du bist, deine Arbeitsethik, das Verständnis für den Fußball, den wir spielen möchten und die Fähigkeit, das dann auch auf dem Platz umsetzen.“
Wie will Simonis den VfL Wolfsburg künftig spielen lassen, welches System, welcher Fußball schweben dem Niederländer ohne eigene Profikarriere vor? Er habe die Mannschaft analysiert, betont er, es gebe „viel Raum für Verbesserung“. Widersprechen wird ihm da niemand, Christiansen räumt ein, dass der VfL der große „Underperformer“ der Liga sei. Die Plätze 12 und 11 der vergangenen beiden Jahre passen weder zu den Investitionen noch zu den Ambitionen dieses Volkswagen-Klubs.
Der nun anders auftreten will. „Dominant mit und gegen den Ball“, sagt Simonis und wiederholt mehrfach, dass man „nicht naiv“ sein dürfe. Eine Viererkette soll es sein, kontrollierter Fußball. Und: „Wir brauchen Außenspieler, die im Eins-gegen-Eins den Unterschied machen können – echte Künstler auf den Flügeln.“ Ein Niederländer halt. Insgesamt gehe es darum, „ein gutes Team zu formen, das verschiedene individuelle Qualitäten vereint“.
Bornauw bringt Millionen, „Monster“ Vini Souza soll bald da sein
Es geht jetzt also vor allem um den Kader. Der soll deutlich kleiner werden, das betont Boss Christiansen. Spieler werden gehen, Sebastiaan Bornauw wird der nächste, er wechselt zu Leeds United, bringt ein Jahr vor Vertragsende stolze sechs Millionen Euro. Ein guter Deal der Wolfsburger Macher, die nach Paderborns Aaron Zehnter (kommt für 4,5 Millionen) weitere Neuzugänge verpflichten wird. Der Transfer des Brasilianers Vinicius Souza (Sheffield United) steht bevor, intern wird der defensive Mittelfeldspieler als „Monster“ bezeichnet.
Große Veränderungen stehen im Sturm an. Josh Sargent ist schon seit längerer Zeit im Visier, der Ex-Bremer von Norwich City ist aber nicht günstig. Und ein Transfer vielleicht nur dann zu stemmen, wenn Mohammed Amoura den Klub verlässt. Interesse am Topscorer ist vorhanden, im Idealfalls soll er über 40 Millionen Euro einbringen. Auch Jonas Wind darf den Klub bei passender Ablöse verlassen.
„Gouda Guardiola“: Simonis kann darüber lachen
Simonis hingegen ist gekommen, um zu bleiben. Bei dem Klub, der in den vergangenen zehn Jahren zehn Trainer durch die Coaching Zone gewunken hat. „Gouda Guardiola“ haben ihn Wolfsburger Fans bereits getauft, ihm gefalle diese Art des Humors, zumal ein Vergleich mit einem seiner Trainervorbilder gar nicht so verkehrt ist. Der VfL-Coach aber betont lachend: „Ich hatte die Glatze schon früher als Pep.“ Auch Luis Enrique nennt er bei der Frage nach Trainern, die ihn inspiriert haben, ebenso Marcelo Bielsa.
„Ich finde, wir vergessen manchmal, dass Fußballer auch Menschen sind.“ (Paul Simonis über seine Trainervorbilder Pep Guardiola, Luis Enrique und Marcelo Bielsa)
Drei Welttrainer, bei denen Simonis nicht nur die Arbeit auf dem Platz beobachtet hat. „Was ich an diesen Typen am meisten schätze, ist, wie die Spieler über sie sprechen – aus menschlicher Sicht“, erklärt der 40-Jährige. „Ich finde, wir vergessen manchmal, dass Fußballer auch Menschen sind. Wenn du gut mit ihnen umgehst, geben sie dir das auf ihre Art zurück.“
Es sind spannende Ansätze, die der neue Wolfsburger Coach liefert, interessante Gedanken, die er gleich zum Auftakt preisgibt. Die Akademie streicht er heraus, auf junge Spieler will er setzen – wenn diese gut genug sind. Diesen Spagat, einerseits die Ziele zu erreichen, andererseits den Nachwuchs einzubauen, hat vor ihm noch niemand nachhaltig hinbekommen. An den Ambitionen verändert sich nämlich nichts.
Europa? „Wir müssen verstehen, dass wir nicht Favoriten sind“
Das internationale Geschäft soll es sein, wie jedes Jahr. „Aber“, sagt Chef Christiansen, „wir müssen auch verstehen, dass wir nicht die Favoriten sind. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns.“ Der Däne betont: „So lange ich hier bin, wird sich an diesem Ziel nichts ändern.“ Das, fügt Simonis leise hinzu, gelte auch für ihn. Nun geht die Arbeit los.

