Torwart-Zeitspiel, Doppelberührung beim Elfer, Schiedsrichterball, Ballberührung von Ersatzspielern oder Trainern – welche Spielregeln sich zur Saison 2025/26 geändert haben und welche Pilotprojekte offiziell aufgenommen wurden. Eine Übersicht mit Einordnungen von DFB-Regelexperte Lutz Wagner.
DFB-Experte Wagner: „Im Sinne des Fußballs“
So richtig viel Ruhe in der Sommerpause hat Lutz Wagner nicht. Während der Saison ist der frühere Bundesliga-Schiedsrichter (197 Partien) vor allem als Beobachter und Coach viel unterwegs in der Stadien der Republik – und stets als DFB-Lehrwart und -Regelexperte gefordert. Der 62-Jährige bekommt auch schon mal während eines Spiels einen Anruf von einem Protagonisten aus der Bundesliga, wenn der sich in einer speziellen Regelfrage absichern möchte.
Im Sommer beschäftigt sich Wagner dann vor allem mit den jeweiligen Regeländerungen zur neuen Spielzeit, die die internationale Regelbehörde IFAB beschließt. Die Neuerungen gilt es möglichst anschaulich zu erklären und näherzubringen – den Elite-Schiris, den Unparteiischen an der Basis, den Klubs sowie Fans und Beobachtern über die DFB-Kanäle und viele unterschiedliche Medien.
Wagner ist in diesem Jahr merklich erfreut über das, was sich ändert. „Es handelt sich diesmal um Ergänzungen und Präzisierungen, die sehr praxisorientiert und im Sinne des Fußballs vorgenommen wurden. Das IFAB hat die Anzahl von komplizierten Sonderfällen reduziert und in einigen Fällen auch für angemessenere Strafen gesorgt“, sagt Wagner: „Außerdem sind zwei erfolgreich getestete Pilotprojekte fest in die Regeln als Optionen für infrage kommende Wettbewerbe aufgenommen worden.“
Kapitänsregel und Stadiondurchsagen in den Regeln
Dabei handelt es sich zum einen um die Kapitänsregelung (Regel 3), wonach vor allem nach strittigen Entscheidungen nur noch der jeweilige Spielführer mit dem Referee kommunizieren soll und Gelbe Karten als Strafe bei Nicht-Beachtung vorgesehen sind. Und zum anderen um Stadion-Durchsagen nach VAR-Eingriffen.
Die Durchsagen will die DFL nach der Testphase in der vergangenen Rückrunde nun flächendeckend in Bundesliga und 2. Liga einführen. Zudem soll erstmals im deutschen Profifußball die halb-automatische Abseitstechnologie dem VAR die Arbeit erleichtern. Bei sogenannten „faktischen Abseitssituationen“ erwartet Schiri-Chef Knut Kircher eine Zeitersparnis von „30 bis 40 Prozent“ und insgesamt eine weitere Steigerung von Akzeptanz und Klarheit bei VAR-Eingriffen. Die Praxis wird zeigen, ob das auch so eintrifft.
Bei der Kapitänsregelung war Kircher nach der ersten Saison noch nicht zufrieden: „Wir müssen nach einer zu Beginn guten Umsetzung erneut nachschärfen, weil wir in der Konsequenz noch nicht da sind, wo wir sein wollen, um auch für den Amateursport Vorbild zu sein“, so der Schiri-Chef. Auch die übrigen Regeländerungen gelten bis runter zur Basis. Ein Überblick.
Herunterzählen gegen Torwart-Zeitspiel
Regel 12: Unter „Fouls und sonstiges Fehlverhalten“ ist nun Folgendes verankert, was eine weitere Zusatzaufgabe für die Schiris bedeutet: Torhüter dürfen den Ball jetzt acht Sekunden lang mit der Hand oder dem Arm kontrollieren. Dabei muss der Schiedsrichter die letzten fünf Sekunden als Countdown mit der Hand für alle sichtbar anzeigen. Hält der Torwart den Ball dann immer noch fest, ohne am Abschlag gehindert zu werden, gibt es einen Eckstoß für das gegnerische Team.
„Diese Strafe ist nun dem Torwart-Zeitspiel angemessen“, findet Wagner. Die zuvor theoretisch geltende Sechs-Sekunden-Regel für Keeper wurde wegen des bei Nicht-Beachtung zu verhängenden indirekten Freistoßes im gegnerischen Strafraum kaum angewendet. „Das ist in der Regel eine große Torchance und damit ein zu gravierender Eingriff ins Spiel in Relation zum Vergehen“, so Wagner, der die Zusatzaufgabe einordnet: „Manche Schiedsrichter sind nicht ganz glücklich darüber, jetzt auch sichtbar die Sekunden zählen zu müssen. Aber erstens gibt es so etwas beim Handball oder Basketball schon lange und zweitens ist es sowieso sehr wichtig, den Torwart im Auge zu behalten.“
Elfer-Wiederholung bei versehentlicher Doppelberührung
Regel 14 und 10: Unter den Punkten „Strafstoß“ sowie „Elfmeterschießen“ heißt es künftig: Wenn der Schütze den Ball beim Schuss versehentlich zweimal berührt – zum Beispiel, indem er sich selbst an das Standbein schießt – und so ein Tor erzielt, wird der Elfmeter wiederholt (zuvor wurde der Treffer aberkannt). Landet der Ball nach dem doppelten Kontakt nicht im Tor, wird wie bisher auf indirekten Freistoß für den Gegner entschieden.
„Da hat das IFAB sehr schnell darauf reagiert, dass mit Real und Atletico Madrid zwei internationale Topklubs nach einer versehentlichen Doppelberührung von der bisherigen Sanktion betroffen waren – und alle profitieren nun von der gerechten Änderung“, lobt Wagner.
Was sich beim Schiedsrichterball ändert
Regel 8: Zudem wird ein Schiedsrichterball außerhalb des Strafraums ab jetzt ausnahmslos dort ausgeführt, wo sich der Ball bei der Spielunterbrechung befunden hat. Außerdem wird er der Mannschaft zugesprochen, die in Ballbesitz war oder gekommen wäre, sofern dies für den Schiri eindeutig zu erkennen ist. Reines Abfälschen, etwa einer Flanke, soll also künftig nicht mehr mit Ballbesitz durch einen Schiedsrichterball belohnt werden.
Kein Elfer mehr, wenn Ersatzspieler den Ball berührt
Regel 9: Wenn Akteure, die nicht auf dem Platz stehen dürften, den Ball ohne unfaire Absicht berühren, bevor er aus dem Spiel ist, gibt es ab sofort nur noch einen indirekten Freistoß und keine persönliche Strafe mehr. Bislang mussten Schiris etwa auf Gelb – bei einem Trainer sogar auf Rot – und im Strafraum auf Strafstoß entscheiden, wenn ein Ersatzspieler der verteidigenden Mannschaft den Ball (versehentlich) kurz vor dem Tor-Aus stoppte.
Letzter Kontakt zählt beim Torwart-Abwurf
Abschließend weist Wagner noch auf zwei veränderte Details hin. Bei Spielen mit VAR und Torlinientechnologie wird der zuständige Assistent bei einem Strafstoß nicht mehr an dem Punkt stehen, wo sich Strafraum- und Torauslinie treffen, um die korrekte Torwart-Position bzw. einen möglichen Torerfolg zu überwachen, sondern an der Seitenlinie. Dort kann er viel besser mögliche Abseitspositionen bei Nachschüssen beurteilen.
Und während schon seit geraumer Zeit bei Abseitsszenen zur Bestimmung des Abspielzeitpunktes der erste Kontakt des Passgebers mit dem Ball zählt, ist die einleuchtende Abweichung bei Torhütern nun festgeschrieben. In einem solchen Fall ist logischerweise nicht der erste, sondern der letzte Kontakt der Hand mit dem Ball maßgebend.