Vieles sollte besser werden und fast alles wurde schlechter. Eine Rückschau und Ursachenforschung zur Entlassung von Sandro Wagner in Augsburg.
Der Rückblick auf fünf turbulente Monate
Nicht nur die Klatschen wiederholten sich zuletzt, auch die Worte danach. Am Samstagabend versuchte Sandro Wagner, die dritte Augsburger Niederlage in dieser Saison mit drei oder mehr Toren Differenz zu erklären. Und wie so häufig begann sein Eingangsstatement ernüchternd: „Wir sind natürlich enttäuscht“, sagte der FCA-Trainer wieder mal. „Wir haben uns viel vorgenommen.“
So wie schon auf St. Pauli (1:2), gegen Mainz (1:4), in Heidenheim (1:2), gegen Leipzig (0:6), gegen Dortmund (0:1), in Stuttgart (2:3) oder im Pokal gegen Bochum (0:1). Und jedes Mal hatte der FCA in der Woche zuvor dem Vernehmen nach „sehr hart gearbeitet“ und sich sehr gut vorbereitet auf das, was der Gegner bieten würde. „Wir wussten, dass …“, sagte Wagner dann für gewöhnlich.
In Sinsheim zum Beispiel wussten die Augsburger angeblich um die gute Boxbesetzung der TSG, um deren Rotationen in der Offensive. Und dann stand es aufgrund der guten Boxbesetzung der TSG und deren Rotationen in der Offensive 0:3 zur Pause. Vor dem Debakel gegen Leipzig hatten die Augsburger angeblich explizit den Leipziger Umschaltfußball studiert, um dann am Leipziger Umschaltfußball zu zerbrechen.
Schmähplakate gegen Wagner: „Wie lange wollt ihr noch warten?“
Worte und Taten drifteten beim FC Augsburg selten so weit auseinander wie in der letztlich nur fünfmonatigen Amtszeit von Sandro Wagner, der nicht an irgendeinem Personenkult oder besonders flotten Sprüchen scheiterte, sondern einzig und allein an der mangelnden Ausbeute und fehleranfälligen Spielweise seiner Mannschaft.
Im Sommer hatte Geschäftsführer Michael Ströll den Unmut nicht weniger Fans auf sich gezogen, weil er Wagners Vorgänger Jess Thorup und Sportdirektor Marinko Jurendic trotz der drittbesten Saison der Vereinsgeschichte vor die Tür setzte. Stabilität war schön, aber es fehlte der Glaube an eine spielerische Weiterentwicklung. Es sollte gerne ein bisschen mehr sein als nur der Klassenerhalt, nur das Image der grauen Maus.
Vier Monate später schimpfte die heimische Fankurve beim Heimspiel gegen Dortmund mit Plakaten in Richtung Wagner: „Von der grauen Maus zur Schießbude der Liga“. Oder, in Richtung Ströll und Sportdirektor Benni Weber: „Große Worte, keine Taten – wie lange wollt ihr noch warten?“
Spielerische Weiterentwicklung? Akuter Abstiegskampf!
Statt der erhofften spielerischen Weiterentwicklung war der FCA unter Wagner wieder dort gelandet, wo er sich längst nicht mehr wähnte: im Keller der Liga mit akuten Abstiegssorgen. Und der Bundesliga-Neuling Wagner, der immer wieder betonte, wie unwichtig er wäre und dass es nur um die Mannschaft gehe, hatte genau das nicht geschafft, was er unbedingt schaffen wollte: Fans, Mitarbeiter und Zuschauer zu begeistern mit einer aktiven Spielweise. Im Gegenteil, vor allem die Fans wurden offensichtlich immer ungeduldiger und wütender.
Was gut begonnen hatte mit einem Pokalerfolg bei Regionalligist Halle (2:0) und einem Auftaktsieg in der Bundesliga beim SC Freiburg (3:1), lief anschließend ziemlich schnell in die falsche Richtung. Ein konsequenter FC Bayern hätte dem FCA beim ersten Heimspiel (2:3) bereits ein Debakel zufügen müssen, das tat stattdessen danach Mainz beim 4:1, dem bis heute übrigens einzigen Saisonsieg des FSV. Oder RB beim 0:6, als sich die Augsburger wieder mal auf wahnsinnige Art und Weise ein Gegentor nach dem anderen fingen.
Den Trend, Spiele nach Rückschlägen wegzuschmeißen, hatte Wagner sogar früher als andere erkannt. Schon im Sommer-Trainingslager in Österreich hatte der heute 38-Jährige nach einem 1:3 gegen Crystal Palace gewarnt: „Wir müssen natürlich noch üben, dass wir klar bleiben; dass es nicht schlimm ist, in Rückstand zu geraten.“
Nie kassierte der FCA nach zwölf Spieltagen so viele Gegentore
In der Bundesliga wurde man bei Augsburg-Spielen den Eindruck nicht los, dass es schlimmer kaum sein konnte, wenn diese Mannschaft in Rückstand geriet. Tatsächlich holte sie nach Rückständen – und das waren wettbewerbsübergreifend immerhin neun – keinen einzigen Punkt. Oft zerfiel sie in sich wie ein Kartenhaus, 27 Gegentore nach zwölf Spieltagen sind der schlechteste Wert jemals. Und weniger Punkte als Wagner holte in der Bundesliga noch kein Augsburg-Trainer (im Schnitt 0,83).
„Das Gefühl ist schon so, dass es klappt“, hatte Mittelfeldspieler Robin Fellhauer vor wenigen Wochen noch versichert, auch wenn er nicht vollends überzeugt wirkte. „Wenn jeder seine Hausaufgaben auf dem Platz erledigt, dann kann das funktionieren.“ Die Frage muss deshalb auch erlaubt sein: Wie viel Schuld trug Wagners aktiver Ansatz, den er übrigens nach mehreren Klatschen etwas zurückhaltender gestaltete? Und wie viel Schuld tragen die Spieler für mehrere leidenschaftslose Auftritte, für indiskutable Fehler und versemmelte Chancen? Spielidee und Spieler passten offensichtlich überhaupt nicht zueinander.
„Wir haben total Bock, diesen Weg zu gehen mit dir als Trainer, und haben einfach Lust auf die Sache“, hat CEO Ströll neulich angeblich noch zu Wagner gesagt, so berichtete es zumindest Wagner. Die Lust war definitiv da, aber in den vergangenen Wochen wirkten die wiederholten Treuebekenntnisse zum Trainer eher wie Durchhalteparolen. Eher wie die Hoffnung, es irgendwie gemeinsam zu überstehen, anstatt wirklich an den gemeinsamen Weg zu glauben.
Der Glaube fehlte letztlich auch Wagner. Am Montag, als er mit Sportdirektor Weber und Geschäftsführer Ströll zusammensaß, wirkte der ehemalige Stürmer zwei Tage nach seinem 38. Geburtstag eher ratlos als hoffnungsvoll. Und „total Bock“ hatte offensichtlich auch Ströll nicht mehr.
Um den jungen Trainer Wagner muss man sich wohl wenig Sorgen machen. Zu holprig verlief die Spielerkarriere, als dass die Laufbahn an der Seitenlinie schon nach dem ersten richtigen Rückschlag wieder gelaufen wäre. Wagner weiß mit solchen Situationen umzugehen.
Der FCA wiederum steht wieder mal bei null und muss sich wieder mal überlegen, was er eigentlich will. Der übliche Klassenerhalt, der Thorup nicht zum Joberhalt genügte, klingt in der aktuellen Situation jedenfalls ganz schön verlockend.

