Nach seinem Innenbandanriss kommt Stuttgarts Undav immer besser in Schwung, trifft gegen Augsburg doppelt und nimmt Kritiker, die den VfB im Sturm zu dünn aufgestellt sahen, auf den Arm.
VfB kompensiert Demirovics Fehlen auch mit Stilanpassung
Der Stürmer Deniz Undav ist nicht gerade bekannt dafür, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen. Undav ist ein redseliger Mensch und er ist noch ein bisschen redseliger, wenn er getroffen und der VfB Stuttgart gewonnen hat. So wie das am Sonntagabend beim 3:2 gegen den FC Augsburg der Fall war, wo dem 29-Jährigen sogar zwei Tore gelungen waren.
„Wir haben doch keine Stürmer, wenn Medo ausfällt“
Entsprechend freudig-aufgekratzt war Undav, der es an solchen Tagen schafft, sogar Kritik so zu verpacken, dass sie beim Adressaten nie böse gemeint ankommt. „Wir haben doch keine Stürmer, wenn Medo ausfällt“, sagte Undav mit schelmischem Grinsen. Was freilich nicht ernst gemeint war. Der Angreifer nahm Bezug auf die medialen Einschätzungen nach der Verletzung Ermedin Demirovics, genannt Medo, wonach dem VfB ein echter Strafraumstürmer abginge. Derlei Behauptungen schienen Undav nicht gerade zu schmecken, er antwortet mit Toren und Ironie. Wenngleich der im aktuellen DFB-Aufgebot nicht Berücksichtigte wahrscheinlich selbst kaum bestreiten wird, dass er nicht der klassische, körperlich extrem robuste Wandspieler wie der an einer beginnenden Fraktur der Fußwurzel laborierende Demirovic ist, der seine Vorzüge im Strafraum hat und sich packende Duelle bis aufs Blut mit den gegnerischen Innenverteidigern liefert.
Nein, Undav ist eher ein spielfreudiges Schlitzohr mit wahnsinnig präzisem Abschluss. Mit einem solchen scheiterte er am Sonntag im ersten Durchgang noch an Finn Dahmen, übertölpelte den FCA-Schlussmann, der sich in der Szene augenscheinlich verspekuliert hatte, aber dann spät doch noch zum 3:2. Und davor, Achtung, Strafraumstürmer-Qualität, hatte er ja schon per Kopf zum 2:2 getroffen. „Er ist wieder da, der Deniz“, resümierte VfB-Sportvorstand Fabian Wohlgemuth und lobte den Angreifer dafür, wie er sich nach seinem im August erlittenen Innenbandanriss Schritt für Schritt zurückgekämpft hatte: „Von Spiel zu Spiel packt er mehr konditionelles Niveau drauf, um dann noch besser zu funktionieren.“
Für Wohlgemuth gab es keine Torjäger-Thematik
Tatsächlich gerieten Undavs erste Einsätze nach der Verletzung holprig. Was die Diskussion um das Stürmerthema in Stuttgart ein wenig befeuert hatte. Zumal ja neben den Verletzungen – erst Undav, dann Demirovic – zwei weitere Dinge ins Gewicht fielen: Man musste auf den letzten Metern des Transfermarkts auch noch die wirtschaftliche Vernunftentscheidung treffen, Nick Woltemade für die Rekordablöse von bis zu 90 Millionen Euro an Newcastle United abzugeben, und die Verpflichtung von Ersatzmann Hyeon-gyu Oh von KRC Genk scheiterte ziemlich spektakulär.
Manch einem im Klub soll die personelle Situation in der Offensive im Angesicht der Mehrfachbelastung durch die Europa League nicht unbedingt behagt haben. Wohlgemuth gehört ausweislich seiner eigenen Aussagen nicht dazu: „Es gab für mich gar keine Torjäger-Thematik, das war für die Medien insgesamt ein bisschen wichtiger als für uns.“ Tatsächlich haben sie in Bad Cannstatt Demirovics zeitweises Fehlen und Woltemades Verkauf zuletzt auf mehrere Schultern verteilt, auch die von Tiago Tomas und Bilal El-Khannouss gehören neben denen von Undav dazu. Nicht unerwähnt bleiben sollte hier die Leistung von Trainer Sebastian Hoeneß, der den zu Saisonbeginn doch ziemlich flankenreichen Stil etwas verändert hat in den vergangenen Wochen.
Vier Treffer und eine Vorlage: „Er baut ein Momentum auf“
Auch das half Undav bei der Wiedereingliederung nach seiner Pause, als er sich spätestens mit seinen Treffern gegen Mainz, Feyenoord und nun Augsburg freigeschwommen hat. Hoeneß jedenfalls sieht den Publikumsliebling zurück auf dem Weg zur Form seines Lebens, die Undav vor anderthalb Jahren hatte: „Er bewegt sich grade dahin, das kann man sagen.“ Der Coach ließ ihn zuletzt mehr spielen als geplant, „weil er den Eindruck vermittelt hat, dass er das gut wegsteckt, dass er ein Momentum aufbaut“, argumentierte Hoeneß. Vier Treffer und eine Vorlage waren es in dieser körperlich anspruchsvollen Phase zwischen den beiden Länderspielperioden. Kein Wunder also, dass Undav gerade ziemlich redselig ist.

