Der FC St. Pauli hat in der Vergangenheit häufig viele Komplimente und zu wenige Punkte für die gezeigten Leistungen bekommen. Der Vortrag in Kiel hatte kein Kompliment verdient, das schmeichelhafte 2:1 aber ist ein echter Befreiungsschlag im Abstiegskampf.
Wichtiger Schritt nach schlechter Leistung
„In der ersten Halbzeit haben wir ein schwaches Spiel gemacht, in der zweiten Hälfte waren beide Mannschaften nicht gut“, bringt Verteidiger Hauke Wahl das Geschehen ganz vortrefflich auf den Punkt, und auch Alexander Blessins Körpersprache noch eine Stunde nach dem Abpfiff im Medienraum des Holstein-Stadions war ein Spiegelbild der vorangegangenen Partie: Kein Überschwang, vielmehr Erleichterung und Erschöpfung. Der Trainer ehrlich: „Ich bin einfach platt.“
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Blessin: „Ich spiele jetzt den Partycrasher“
Ehrlichkeit regiert bei allen St. Paulianern im Umgang mit einem Sieg, der den Aufsteiger ein gutes Stück näher Richtung Rettung bringt, der am Samstagnachmittag in Kiel aber nicht verdient war. „Wir haben in dieser Saison an ungefähr 27 Spieltagen richtig gut performt und oft zu wenig dafür bekommen“, sagt Alexander Blessin, „dieses Mal bin ich mit dem Spiel nicht zufrieden, aber glücklich über das Ergebnis. Es war eines unserer schlechtesten Spiele, gerade in der ersten Hälfte. Wir waren träge, zu langsam, nicht wachsam. Es war ein echter Sommerkick von uns.“ Der 51-Jährige hat nach der Pause deshalb eine veränderte Marschroute ausgegeben, seine Profis trotz der immensen Bedeutung der Partie nicht mehr hoch anlaufen lassen. Weil er spürte, dass die Seinen dieser Aufgabenstellung zumindest an diesem Tage nicht gewachsen waren.
Dass dennoch ein Sieg herausgekommen ist, bezeichnenderweise durch ein Eigentor von Max Geschwill in der Nachspielzeit nach konsequentem Nachsetzen von Noah Weißhaupt, führt Blessin auch auf eine Entwicklung zurück. Bis zum vergangenen Wochenende, dem 1:1 gegen Mönchengladbach, war ein 0:1-Rückstand für St. Pauli in dieser Spielzeit immer gleichbedeutend mit einer Niederlage. Gegen die Borussen gab es einen späten (und hochverdienten) Punkt, in Kiel nun nach dem Rückstand sogar einen Last-Minute-Sieg. „Das“, sagt der Trainer, „zeugt auch von einem Reifeprozess.“
St. Pauli will „den Relegationsplatz vermeiden“
Jener Reifeprozess drückt sich auch in der Tabelle aus. Der Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze beträgt seit diesem Samstag neun und elf Punkte, Blessin aber warnt: „Wir wollen unter allen Umständen den Relegationsplatz vermeiden.“ Aktuell liegt St. Pauli sieben Punkte vor dem Drittletzten, der 1. FC Heidenheim kann aber am Sonntag auf vier Zähler verkürzen. „Es ist noch nicht vorbei“, warnt Blessin daher, „es sind noch ein paar Schritte zu gehen. Deshalb spiele ich jetzt den Partycrasher.“ Und er musste sich, erschöpft und mitgenommen von dem Nachmittag, nicht einmal verstellen, um die für diese Rolle entsprechende Ausstrahlung zu haben.