Schon nach dem 2. Spieltag hat sich Bayer Leverkusen von Trainer Erik ten Hag getrennt. Eine konsequente Entscheidung nach einem großen Irrtum, kommentiert kicker-Reporter Stephan von Nocks.
Kommentar zur Entlassung von Bayer-Trainer ten Hag
Wenn ein Bundesligaklub nach zwei Spieltagen seinen erst vor der Saison verpflichteten Trainer entlässt, sagt dies vor allem zwei Dinge aus: Erstens muss die Arbeit des Neuen gravierende Defizite aufgewiesen haben. Und zweitens, daran gibt es kein Vertun, müssen die Entscheidungsträger im Klub zuvor bei der Auswahl des Trainers einer ebenso gravierenden Fehleinschätzung unterlegen gewesen sein.
So war es auch bei Bayer 04 und Erik ten Hag. Als der Double-Gewinner von 2024 im Frühjahr einen Nachfolger für Xabi Alonso suchte, stand der Niederländer zwar nicht ganz oben auf der Shortlist, doch nachdem Cesc Fabregas nicht aus Como loszueisen gewesen war, fiel die Wahl auf ten Hag.
Für diese Entscheidung, bei der der für den Sport zuständige Geschäftsführer Simon Rolfes die treibende Kraft war, gab es damals durchaus gute Argumente: Ten Hags Spielstil passte bestens zu dem des deutschen Vizemeisters. Hatte der Niederländer doch vor seiner Zeit bei Manchester United mit Ajax Amsterdam und seinem voetbal totaal Fußball-Europa begeistert. Und auch die Fähigkeiten des 55-Jährigen als Talente-Förderer sprachen für ihn. Schließlich ist die Entwicklung von Toptalenten zu Topstars ein essenzieller Bestandteil der Klub-Philosophie.
Natürlich gab es auch Warnsignale: Ten Hag galt schon in England als arrogant und stur. Zudem tätigte der Niederländer als Teammanager der Red Devils alleinverantwortlich diverse maßlos teure und fehlgeschlagene Transfers, die den Weltklub nachhaltig weiter nach unten führten.
In Leverkusen, wo ten Hag nur als Trainer hätte funktionieren müssen, hatte man offenbar zu sehr darauf gesetzt, dass der Niederländer aus seiner Zeit in England Demut mit unters Bayer-Kreuz bringen würde. Galt es doch für den Amsterdamer Erfolgstrainer auch, sich zu rehabilitieren für sein am Ende unrühmliches Schaffen in Manchester.
Rolfes musste über seinen Schatten springen
Jetzt, nachdem man in Leverkusen – der eine früher, der andere später – erkennen musste, dass der zu sehr von sich selbst überzeugte Trainer lernresistent ist, zog der Klub die einzig richtige Konsequenz und ungewohnt früh einen Schlussstrich.
Dafür musste Rolfes über seinen eigenen Schatten springen. Schließlich war er der große Fürsprecher ten Hags gewesen – bei der Verpflichtung und im Laufe der Vorbereitung, als im Klub die ersten Fragezeichen hinter den Trainer gesetzt wurden.
Es spricht für den Analytiker Rolfes, dass er nicht länger an seinem Trainer festgehalten hat. Auch wenn ihm dessen Verpflichtung im Nachhinein als Malus angekreidet wird. Doch die frühe Entlassung ten Hags ist dies nicht. Im Gegenteil: Mit seiner Entscheidung hat der 43-Jährige echte Manager-Qualitäten bewiesen, seinen eigenen Fehler erkannt, eingestanden und auch schnellstmöglich korrigiert.
Bei der Wahl von ten Hags Nachfolger sollte er aber ein besseres Händchen beweisen. Nur wenn ihm ein ähnlicher Coup wie Anfang Oktober 2022 mit dem damaligen Rookie und späteren Erfolgstrainer Xabi Alonso gelingt, wird der Fleck des Irrtums mit ten Hag komplett verblassen.