Eintracht-Vorstand Philipp Reschke spricht über drei Fan-politische Themen, äußert Skepsis am Urteil des Bundesverfassungsgerichts und kündigt an, über eine Änderung der UEFA-Regularien die Situation der Auswärtsfahrer bei internationalen Spielen verbessern zu wollen.
Rechte der Fans sollen international gestärkt werden
Am Dienstagabend empfing die Eintracht im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengarten mehrere Hundert VIPs und Sponsoren zum alljährlichen Frühjahrsempfang. Die Veranstaltung bot nicht nur allerlei Kulinarik, musikalische und akrobatische Shows, nette Worte von Sportvorstand Markus Krösche und Weltmeister Mario Götze. Zu vorgerückter Stunde kamen auch einige Fan-politische Angelegenheiten zur Sprache.
Der unter anderem für die Spieltagsorganisation und Fanbetreuung zuständige Vorstand Philipp Reschke behandelte drei kritische Themen, mit denen sich der Klub aktuell konfrontiert sieht. Seine Ausführungen knüpften daran an, was sein Kollege Axel Hellmann als Vorstandssprecher bereits eine Woche zuvor auf der Mitgliederversammlung erläutert hatte.
„Zahlreiche Probleme in der Praxis“
Zunächst ging Reschke auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ein, das im Januar entschieden hatte, dass die Hansestadt Bremen die Kosten für Polizeieinsätze bei Hochrisikospielen dem ansässigen Klub Werder Bremen in Rechnung stellen darf. Andere Bundesländer könnten nachziehen. „Nach den letzten Gesprächen, die wir auch mit der Politik geführt haben, kann man zusammenfassen, dass sich darüber keiner so richtig gefreut hat“, sagt Reschke.
Der Jurist sieht „zahlreiche Probleme in der Praxis“ und skizziert: „Wer legt fest, was ein Hochrisikospiel ist? Entscheidet das ein Einsatzleiter? Entscheidet das ein Verein? Was passiert, wenn beide zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen? In der Praxis ist es fast immer so, dass die Polizei dazu neigt, etwas sicherer zu denken und die Vereine dazu neigen, etwas liberaler zu denken. Was passiert dann?“
Schwierige Diskussionen sieht er auch hinsichtlich der Umfänge möglicher Einsatzmaßnahmen. „Gibt es einen Wasserwerfer? Wer zahlt den zweiten, dritten oder vierten Wasserwerfer? Diese Konfliktsituationen stören eigentlich alle.“ Hellmann hatte es auf der Mitgliederversammlung ähnlich plakativ ausgedrückt: „Ist es gerecht, dass wir für Vorfälle in Marburg, Fulda oder Wiesbaden bezahlen, weil die Eintracht an dem Tag spielt und wir für den dritten oder vierten Wasserwerfer und den zweiten Helikopter über dem Stadion die Party zahlen sollen? Ich habe da meine Zweifel.“
Reschke kündigt man, dass die Eintracht und die Liga versuchen werden, ihren Teil dazu beizutragen, „dass die Kosten reduziert werden“. So solle der Druck von der Politik genommen werden, „unbedingt tätig werden zu müssen und die Büchse der Pandora zu öffnen“.
Kritik an „digitalem Pranger“
Darüber hinaus erneuerte er die Kritik an der kürzlich durchgeführten Öffentlichkeitsfahndung, die auf die Ausschreitungen beim Heimspiel gegen den VfB Stuttgart in der vergangenen Saison zurückgeht. „Stuttgart war ein Kollateralschadensereignis, dessen Beurteilung unglaublich diffizil ist“, meint der 52-Jährige. Eine Öffentlichkeitsfahndung kenne man aus „aus schwerwiegenderen Bereichen, und ja, auch schwerer Landfriedensbruch und Gewalt gegen Polizisten können dazugehören“.
Gleichwohl mahnt er zu einer „sorgsamen Abwägung der Verhältnismäßigkeit“ und betont: „Wir haben eine grundsätzlich sehr hohe Skepsis gegenüber diesem Instrumentarium.“ Reschke nennt die Öffentlichkeitsfahndung einen „digitalen Pranger“ und warnt vor den sozialen und beruflichen Folgen, die das für die Betroffenen haben kann. Deshalb müsste schon etwas „Schwerwiegendes“ vorliegen, wobei er nicht unterstellen wolle, dass dies nicht der Fall sei. „Wir wissen durchaus, dass extrem viel schiefgelaufen ist.“ Am Ende werden die ermittelten Fälle auf seinem Schreibtisch landen, dann muss über Stadionverbote entschieden werden. „Da werden wir prüfen, ob dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprochen wurde.“
Reschke will Änderung der UEFA-Regularien
Das dritte Thema betrifft die zunehmenden Einschränkungen bei internationalen Auswärtsspielen. Teilweise werden Betretungsverbote erlassen, Fans müssen sich auf weit außerhalb gelegenen Parkplätzen einfinden, wo sie in Bussen gepfercht zum Stadion transportiert werden. Was auch die große Mehrzahl ganz normaler, friedlicher Fans teilweise über sich ergehen lassen muss, ist schon lange nicht mehr vergnügungssteuerpflichtig. Die Restriktionen sind in den vergangenen Jahren immer schärfer geworden.
In Deutschland befinde man sich dagegen noch „auf einer Insel der Glückseligen“, meint Reschke. Großen Fanszenen internationaler Klubs würde man hierzulande bei Europacupspielen „den roten Teppich“ ausrollen. Um die Situation für deutsche Fans im Ausland zu verbessern, startet die Eintracht mit anderen Bundesligisten eine Initiative. Über die ECA solle auf die UEFA eingewirkt werden. Als Ziel formuliert er: „Wir wollen über eine Veränderung der Regularien die Klubs und die jeweiligen behördlichen Umfelder unter einen gewissen Druck setzen, uns die gleichen Verhältnisse vor Ort zur Verfügung zu stellen, wie wir das bei jedem einzelnen Spiel tun.“
Mit Blick auf das bevorstehende Europa-League-Achtelfinale bei Ajax Amsterdam können die Auswärtsfahrer vorerst aufatmen. Am Dienstagabend hatte Reschke noch erklärt: „Wir müssen bis morgen warten, um zu wissen, ob wir in die Stadt dürfen und die Tickets bekommen. Es sieht ganz gut aus.“ Da am Dienstag in der Champions League bereits Eindhoven gegen Arsenal spielt, am Mittwoch Feyenoord Rotterdam auf Inter Mailand trifft und am Donnerstag Alkmaar in der Europa League Tottenham empfängt, steht die niederländische Polizei vor einer großen Herausforderung. „Das sind große Fanszenen dieses Kontinents“, sagt Reschke.
Am Mittwochmittag teilte der Vorstand auf kicker-Nachfrage mit, dass die Eintracht das volle Kartenkontingent erhalte und aktuell auch keine Einschränkungen vorgesehen seien: „So wie man sich das eigentlich immer wünscht.“ Nun bleibt zu hoffen, dass die Fans ihren Teil dazu beitragen, dass es friedlich bleibt und nach dem Schlusspfiff nur über das Geschehen auf dem Rasen gesprochen wird.