Die Tabellensituation hat sich dadurch nicht verändert. Und dennoch ist nach dem Pokal-Aus bei Drittligist Bielefeld die Leverkusener Angriffslust in der Liga wie weggeblasen. Manager Simon Rolfes kündigt zwar eine Reaktion der Mannschaft an. Doch eine solche ist so schwer wie lange nicht mehr.
Mentaler Test in Heidenheim
Die Botschaft ist dieselbe, nur man spürt nicht mehr die große Überzeugung dahinter. Vor gut einer Woche hatte Xabi Alonso im Vorfeld des Bochum-Spiels zur Attacke auf Spitzenreiter Bayern München geblasen.
Der Spanier sprach von „Druck aufbauen“, setzte auf einen Sieg im Freitagsspiel gegen Bochum, den es dann mit einem 3:1-Erfolg auch gab, und auf die Wirkung der Psychologie. Der 43-Jährige dozierte dabei mit Feuer und Leidenschaft. Ohne Wenn und Aber. Der Eindruck: Da glaubt jemand trotz des großen Rückstands noch ganz fest an die Titelchance.
Jetzt, vor dem Gastspiel beim 1. FC Heidenheim und nach zuletzt vier Niederlagen aus sechs Partien mischen sich andere Untertöne in in die Ansagen des Leverkusener Trainers. „Wir sind natürlich in der Lage dazu“, antwortete er auch die Frage, ob Bayer denn alle sieben verbleibenden Ligaspiele gewinnen könne, fügte jedoch an: „Aber wir sind auch in der Lage alle zu verlieren. Im Fußball kann alles passieren.“ Wie die Werkself noch am Dienstag beim verdienten Pokal-Aus bei Drittligist Arminia Bielefeld bitter erfahren musste.
Die Niederlage in Bielefeld hat offenbar Zweifel gesät
Das 1:2 auf der Alm hat offenbar Zweifel gesät. Auch wenn Xabi Alonso am Freitag die gegenteilige These aufstellte. „Wir erwarten am Samstag ein hartes Spiel. Heidenheim kommt aus einer guten Serie mit den Siegen gegen Kiel und in Wolfsburg“, sagte der Spanier, „aber unsere Aufgabe ist ganz klar: Wir haben keine Zweifel, was wir wollen. Wir wollen Spiel für Spiel angehen und alle gewinnen, um eine Chance zu haben.“
Bei nach dem Freitagabendspiel inzwischen neun Punkten und mehr als 20 Treffern Rückstand erscheint dies alternativlos. Aber ist Bayer 04 nach rund zwei fantastischen Jahren wirklich in der Lage, nach dem Tiefschlag von Bielefeld und den davor erlittenen Enttäuschungen mit zwei ernüchternden Niederlagen gegen Bayern München in der Champions League und einem 0:2 zuhause gegen kriselnde Bremer nochmal wirklich anzugreifen? Eine Trotzreaktion zu zeigen? Eine Jetzt-erst-recht-Mentalität an den Tag zu legen?
Es überrascht, wie schnell der Kredit aufgebraucht ist
Xabi Alonso weiß, dass dies alles andere als einfach ist. „Es war ein sehr wichtiges Ziel für uns. Aber man muss das im Sport akzeptieren. In den letzten 25 Monaten haben wir viel gewonnen und nicht so große Rückschläge erlitten – natürlich in Dublin (0:3 im Finale der Europa League gegen Atalanta Bergamo, Anm. d. Red.) oder der Champions League, aber da waren die Gegner stark.“
„Auch Arminia war sehr gut, aber wir hatte große Erwartungen, in Berlin dabei zu sein. Jetzt ist der Moment zu zeigen, (dass wir aufstehen können). Nach dem Aus in der Champions League sind wir nach Stuttgart (Bayer gewann nach 1:3-Rückstand 4:3, Anm. d. Red.) gefahren – hoffentlich zeigen wir jetzt wieder diese Reaktion. Wir brauchen am Samstag einen guten Spirit.“
Wie wahr. Doch die Partie in Heidenheim steht nach der Knockout in Bielefeld unter ganz anderen Vorzeichen. Auf der Alm attackierten Bayer-Fans die Profis nach dem Abpfiff am Zaun mit Kritik, die offenbar unter die Gürtellinie ging.
Erklärte doch Granit Xhaka, der sich mit einem Anhänger einen heftigen und gestenreichen Disput geliefert hatte, im Schweizer Blick: „Man darf uns selbstverständlich kritisieren, aber es geht um die Art und Weise. Für mich war klar, dass ich dann an erster Stelle die Mannschaft schütze.“
„Es ist wichtig, dass wir zusammenbleiben.“ (Xabi Alonso)
So enttäuschend das Ausscheiden war. So eindeutig, wie die Leistungskurve zuletzt nach unten zeigte. So überraschend ist es dennoch, wie schnell der Kredit bei manchem Fan aufgebraucht ist. Als Xabi Alonso nach dem Pokal-Aus bei Sky gefragt wurde, wie sehr er von seinen Spielern enttäuscht sei, hatte der Spanier diese ehrenhaft in Schutz genommen.
„Das ist jetzt einfach zu sagen, aber diese Mannschaft hat uns viel gegeben, was wir letzte Saison erreicht haben. Es ist wichtig, dass wir zusammenbleiben“, hatte der 43-Jährige appelliert, „ich unterstütze meine Mannschaft.“
Das kann diese gut gebrauchen, wenn sie dieser, der bislang zweitbesten Bundesliga-Saison der Leverkusener Vereinsgeschichte, kein unwürdiges Ende bereiten oder sogar nochmal wirklich in den Titelkampf eingreifen soll. Auch Geschäftsführer Simon Rolfes hatte seine Profis über sein LinkedIn-Profil nach der Pokal-Pleite hart kritisiert, fehlenden Willen moniert und eine Reaktion in der Liga angekündigt.
„Wir werden jetzt noch härter angreifen, um bereit zu sein, wenn sich die Chance auf den Bundesliga-Titel ergibt.“ (Simon Rolfes)
„Wir werden jetzt noch härter angreifen, um bereit zu sein, wenn sich die Chance auf den Bundesliga-Titel ergibt“, schrieb Rolfes am Ende entschlossen, „das sind wir uns selbst schuldig. Und unseren Fans.“ Doch wie sagte noch der Faust in Goethes gleichnamigen Werk? „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ Das Spiel in Heidenheim wird für Bayer 04 in vielerlei Hinsicht zu einem Prüfstein.