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„Nächste Woche, Harry!“

Harry Kane durfte in Leipzig nicht mitspielen und stand trotzdem im Mittelpunkt. Über einen irgendwie irren Nachmittag.

Über Kane, die Kameras und Käsekrainer

Es ist natürlich eher unwahrscheinlich, dass Harry Kane mal was von einem Skandal im Sperrbezirk gehört hat. Er ist inzwischen zwar Lederhosen-erprobt und arg bemüht, Deutsch zu lernen. Aber zwischen Deutsch und Bayerisch besteht tendenziell ein ebenso großer Unterschied wie zwischen Titel und Nicht-Titel.

Ein Dutzend Bayern-Fans jedenfalls mischte am Samstagmorgen schon um kurz vor 9 Uhr im Zug nach Leipzig sogenannte Käsekrainer mit muntermachenden Kaltgetränken. Und irgendwo zwischen dem „Skandal um Rosi“ und sächsisch-bayerischem Gelalle, da war sich einer der längst nicht mehr sitzenden Mitfahrer sicher: „Der Harry packt’s heid!“

Der „Harry“ hat’s aber schon wieder nicht gepackt, also nicht so richtig zumindest. Dabei haben nun wirklich alle fast alles dafür getan, um diesen Titellosen endlich von seinem Fluch zu befreien und all die grauenhaften Geschichten endlich zu begraben. Ständig packte die nationale und internationale Regie den leidenden und dann nicht mehr leidenden und dann doch wieder leidenden Kane ins Bild, der letztlich erst auf dem Platz davon überzeugt wurde, dass er in Wahrheit gar nicht mehr leiden musste.

Gelb-gesperrt hatte der „Harry“ auf der Tribüne Platz nehmen müssen, umgeben von seinem Bruder Charlie, den Eltern und der sonstigen englischen Entourage. Und zwei Reihen vor ihm, da saß Max Eberl, umgeben von der Bayern-Entourage, und bekam angeblich gar nicht mit, was der Gelbsünder über ihm für Gefühlstäler durchschritt.

Erst sah ja alles ganz schlecht aus und so auch der Harry, der mindestens genauso oft von der TV-Kamera eingefangen wurde wie jede Wiederholung dieses fantastischen Treffers von Benjamin Sesko, der in dieser Saison übrigens schon einmal ein Gelb-Rot-Sünder war.

Was natürlich gar keine Rolle spielt. Aber sei es drum, denn eigentlich taten das ja auch die wenig zuckenden Mundwinkel von Kane kaum. Es gehörte nur alles zur großen Show, die sich dann auch endlich auf dem Platz offenbarte, als Michael Olise ein zweites Mal traf, während die Kameras noch Kanes Geklatsche vom ersten Tor mitnehmen wollten. Und als Leroy Sané dann nochmals für Bayern traf, da bekamen Papa Pat und Bruder Charlie sogar eine kräftige Umarmung spendiert.

„It’s pretty much our first title.“ (Harry Kane via Social Media)

Und dann machte sich der „Harry“ auf einen dieser ellenlangen Wege durchs Leipziger Stadion, um rechtzeitig zu diesem einen tollen Moment dabei zu sein und am Platz zu stehen. Und natürlich packte man ihm sogleich zwei bis zwölf Linsen vors Gesicht, weil irgendwann … Also irgendwann musste Schiedsrichter Felix Zwayer ja auch abpfeifen – und dann wäre es ja endlich so weit gewesen.

Stattdessen verschränkte der „Harry“ nur die Arme, als Yussuf Poulsen alles durchkreuzte und doch irgendwie nicht. „It’s pretty much our first title“, ließ Kane über seine App „Cleats Club“ ausrichten, ganz frisch per Sprachnachricht aus dem Stadion. „Pretty much“, also ziemlich sicher, ist er jetzt Deutscher Meister, aber offiziell halt noch nicht.

„Nächste Woche, Harry!“, schrieb Thomas Müller ein paar Minuten später bei Instagram und zeigte sich neben dem nicht weniger strahlenden Kane. Nächste Woche ist es dann vielleicht oder vielleicht auch nicht so weit, vielleicht ja auch schon am Sonntag, wenn der „Harry“ daheim mit der Familie Freiburg gegen Leverkusen schaut. Ohne Kameras dann hoffentlich.

Und irgendwann in dieser oder der nächsten Woche oder der danach – da hat er’s dann gepackt, der „Harry“.

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