Im Sommer 2018 folgt Niko Kovac beim FC Bayern als Trainer auf Jupp Heynckes. Zwar kann der Kroate in seiner ersten Saison das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal holen, doch überzeugt sein Stil und seine Spielweise nicht. Im November 2019 endet die triste Vernunftehe schon wieder.
Nur 17 Monate im Amt
Niko Kovac erreicht München als Sieger. Wenige Wochen vor seinem Start als neuer Bayern-Trainer besiegt seine Frankfurter Eintracht den FC Bayern im Finale des DFB-Pokals mit 3:1. Gegen Jupp Heynckes, seinen Vorgänger. Der hätte nach dem Willen von Uli Hoeneß noch ein Jahr dranhängen sollen, doch der damals 73-Jährige will nicht mehr, verabschiedet sich mit einem letzten Meistertitel in den wohlverdienten Ruhestand.
Kovac steht lange vor besagtem Finale als Nachfolger fest. Die Wahl überrascht und irgendwie auch nicht in Ermangelung von Kandidaten. Bei Thomas Tuchel herrscht wenig Einigkeit in der Führungsebene, also sagt dieser Paris St. Germain zu. Nach Welttrainern Louis van Gaal, zweimal Heynckes, Pep Guardiola und Carlo Ancelotti nun also der kroatische Berliner, ein aufstrebender Trainer aus der Bundesliga. Karl-Heinz Rummenigge, damals noch CEO der Bayern, schreibt ihm schon vor dem Saisonstart via Medien in den Dienstplan: „Wir wollen alles gewinnen.“
Bayern-Bosse fragen leise bei Rangnick an
Die Flitterwochen enden schnell, bereits im ersten Herbst gerät die Mannschaft in eine Krise, die Verbindung Bayern-Mannschaft-Kovac verkommt zur tristen Vernunftehe. In der Offensive basiert zu viel auf Zufall, die Defensive fängt sich Konter und Gegentore. Nach einem 3:3 gegen Fortuna Düsseldorf am 12. Spieltag beträgt der Rückstand auf Tabellenführer Borussia Dortmund bereits neun Punkte, Bayern steht auf dem 5. Platz. Viel zu wenig für die hohen Ansprüche.
In der Liga bekommen die Bayern allmählich die Kurve, auch weil Dortmund unter dem Zauderer Lucien Favre inkonstant punktet. Doch der nächste Tiefschlag folgt Anfang 2019 mit dem Aus im Achtelfinale der Champions League gegen den FC Liverpool. Das ist keine Schande, die Truppe von Jürgen Klopp holt später den Henkelpott. Aber so tapfer die Kovac-Bayern im Hinspiel ein 0:0 an der Anfield Road verteidigen, so mutlos verlieren sie das Rückspiel daheim mit 1:3. Mats Hummels und Robert Lewandowski kritisieren die Herangehensweise auch öffentlich.
Das Titelrennen wird im Frühjahr zum Krimi, am 28. Spieltag ziehen die Bayern durch ein 5:0 im direkten Duell mit dem BVB an diesem vorbei. Beide Teams lassen Federn, die Bayern zum Beispiel bei einem glücklichen 1:1 bei Absteiger Nürnberg, das in der letzten Minute einen Elfmeter verschießt. Hinterher lobt Kovac den starken Gegner, bei anderer Gelegenheit verweist er auf das Wetter, bei dem es nicht so leicht gewesen sei. Aussagen, die nicht Bayern-like sind, die verwundern.
Deutscher Meister wird er mit seinem Team dennoch durch ein rauschendes Fest beim 5:1 gegen Frankfurt am letzten Spieltag. Arjen Robben und Franck Ribery feiern ihren Abschied. Eine Woche später folgt das Double durch ein 3:0 gegen RB Leipzig, Kovac verteidigt quasi den DFB-Pokal. Wenig später kommt heraus, dass Bayerns Bosse vor dem Finale beim gegnerischen Trainer Ralf Rangnick eine Bereitschaft für ein Engagement beim FC Bayern eruiert haben sollen.
Müller wird zu „Notnagel“
Vertrauen in den eigenen Trainer sieht anders aus, und besser wird es nicht mehr. Zur Saison 2019/20 haben sich Ribery, Robben, Hummels, Rafinha oder James Rodriguez verabschiedet. Die Sommertour führt wieder in die USA, wo Kovac dem kicker in Beverly Hills ein Interview gibt.
Auf die kritischen Fragen zur Vorsaison reagiert er leicht pikiert. „Lassen wir die Vergangenheit ruhen, ich spreche lieber über das, was kommt“, lautet eine der Kernbotschaften, eine weitere: „Ich bin der Meinung, dass wir in der letzten Saison schon weitgehend attraktiven Fußball gesehen haben.“ Diese Meinung teilen wenige. Die Zweifel zeigen sich auch insofern, dass der Klub ihm mit Hansi Flick einen weiteren Co-Trainer zur Seite stellt.
Im Verhältnis zur Mannschaft kriselt es. Jerome Boateng blieb ein Jahr zuvor, weil Kovac ihm im direkten Gespräch sagte, er setze auf ihn. Doch Kovac bricht laut Boateng sein Wort, plötzlich spielen wieder Hummels und Niklas Süle. Auch mit Thomas Müller verscherzt es sich Kovac, vielleicht sein größter Fehler. Ob Müller gesetzt sei, fragt ihn der kicker in Beverly Hills. „Eine provokante Frage“, antwortet Kovac, sichert dem mächtigen Müller nichts zu. Der sitzt später tatsächlich draußen und Kovac lässt sich zu der Aussage hinreißen: „Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen.“
Aus nach Klatsche beim Ex-Klub
Die Münchner befinden sich zu diesem Zeitpunkt längst in der nächsten Herbstkrise. Lichtblicke gibt es zwischendurch, am 2. Oktober gewinnt das Team in der Champions League mit 7:2 bei den Tottenham Hotspur. Dies sei der Ausrutscher, nicht die vielen Punktverluste, schreibt der kicker. Ein 2:2 in Augsburg verschärft die Situation, Süle reißt sich das Kreuzband. Im Pokal entgeht Kovac bei Zweitligist Bochum (2:1) knapp einer Blamage.
Am 3. November kommt das schnelle Aus, einen Tag nach einem 1:5 bei seinem Ex-Klub Eintracht Frankfurt. Ein Spiel, in dem die Mannschaft nicht den Eindruck vermittelt, für den Coach noch durchs Feuer zu gehen. „Die Leistungen unserer Mannschaft in den vergangenen Wochen und auch die Resultate haben uns gezeigt, dass Handlungsbedarf bestand“, erklärt Rummenigge.
Flick übernimmt, erst als Interimstrainer, dann endgültig. Es sind die Monate und Wochen vor dem Corona-Einschnitt. Was niemand für möglich hält: Flick bringt die Mannschaft schnell in die Spur, er holt binnen eines Jahres alle sechs möglichen Titel mit der identischen Mannschaft. Dieser Trainerwechsel war so nötig wie erfolgreich, daran besteht rückblickend kein Zweifel.