Bayer 04 Leverkusen hat sich im Titelrennen zurückgemeldet. Das liegt auch an Granit Xhaka. Der Stratege glänzt wieder, weil Trainer Xabi Alonso am taktischen Auftreten der Werkself gefeilt und damit wieder die ideale Basis für das Spiel des Schweizers geschaffen hat.
Bayers Mittelfeld-Stratege in Topform
Nach einer immer wieder von kleineren, aber bitteren Rückschlägen geprägten ersten Saisonphase hat Bayer 04 im Laufe des November wieder zu alter Stärke zurückgefunden. In den jüngsten sieben Pflichtspielen, die allesamt gewonnen wurden, obwohl es wie im DFB-Pokal beim FC Bayern (1:0) oder in der Champions League gegen Inter Mailand (1:0) gegen Hochkaräter ging, hat Trainer Xabi Alonso mit Erfolg an der Spielweise des Double-Gewinners gefeilt.
Die in Offensive wie Defensive nun geduldigere, aber deshalb nicht weniger aggressive und konsequente Herangehensweise hat den Auftritten der Werkself eine andere Qualität verliehen. Bayer lässt sich in seinem Bestreben, ein Spiel zu dominieren, nicht treiben, setzt seine Stilmittel wie das Gegenpressing und das Spiel in die Tiefe aus langen Ballbesitzpassagen heraus gezielter ein. Granit Xhaka, Florian Wirtz und Co. warten bei Bedarf den richtigen Moment ab, um dann die eigenen Stärken auszuspielen.
Der Effekt: Die wilden Ping-Pong-Sequenzen, in denen Leverkusen in der ersten Saisonphase beispielsweise bei den Partien gegen Leipzig (2:3) oder Wolfsburg (4:3) deutliche Defensivprobleme offenbarte, gehörten zuletzt der Vergangenheit an. Der offene Schlagabtausch, den Xabi Alonso als Liebhaber des gepflegten, aber eben auch kontrollierten Fußballs vermeiden möchte, kommt kaum noch zustande.
Dies tut dem Meister gut, weil diese Korrektur auch seinem Chef auf dem Platz, Granit Xhaka, enorm hilft, seine Rolle als Taktgeber im defensiven Mittelfeld mit höchster Effektivität auszufüllen.
Bei den sieben siegreichen Partien präsentierte sich der Schweizer auch deshalb in Topform, weil er seine herausragenden strategischen Fähigkeiten viel besser einbringen kann, wenn das Spiel nicht aus den Fugen gerät, die Abstände zwischen den Mannschaftsteilen nicht immer größer werden und der taktische Aspekt nicht durch den läuferischen in den Hintergrund gedrängt wird, weil es dann viel zu oft nur noch darum geht, große Lücken zuzulaufen, dem Gegner nach eigenem Ballverlust hinterher zu hetzen.
Denn dann ist Xhaka, der kein Sprinter ist, nicht mehr annähernd so wertvoll für Bayer wie er es nun einmal ist. Zuletzt trumpfte er im kontrollierten Spiel der Werkself wieder groß auf, glänzte als Gehirn und Schaltzentrale gegen Inter, bereitete zudem beim 2:0 in Augsburg mit seinem öffnenden Pass auf Vorlagengeber Jeremie Frimpong die 1:0-Führung indirekt vor. In beiden Spielen schwang sich der Schweizer zum Spieler des Spiels auf. In den sieben siegreichen Spielen kam er auf einen starken kicker-Notenschnitt von 2,5.
Nur Kimmich kommt als Sechser auf mehr Spielzeit
Xhaka, der in der ersten Phase der laufenden Spielzeit nach einer Mammut-Saison mit anschließender EM und dortiger Verletzung auch mental nicht frisch wirkte, ist wieder der absolute Chef im Ring. In dieser spielprägenden Rolle, in der er den Rhythmus bestimmt, in der er bei Leverkusener Ballbesitz auf engem Raum den gegnerischen Druck durch seine Spielintelligenz und seine Antizipationsfähigkeit spielerisch leicht verpuffen lässt und in der er mit vielen klugen, manchmal spektakulären, aber oft auch unscheinbaren Pässen dem Offensivaktionen den entscheidenden ersten Impuls verleiht.
Und dass Bayer und Xabi Alonso den 32-Jährige genau als diesen Balance-Künstler unbedingt benötigen, belegen allein die Einsatzzeiten des Linksfußes. So verzichtet sein Traner quasi nie auf den Mittelfeldspieler, der bislang in 24 Pflichtspielen in dieser Saison für Leverkusen auf dem Platz stand. Seine 1993 Einsatzminuten sind der vierthöchste Wert aller Bundesligaprofis. Noch länger spielten nur seine Teamkollegen Jonathan Tah (2120) und Edmond Tapsoba (2083), die als Innenverteidiger aber läuferisch nicht so stark gefordert werden wie der Sechser, sowie Bayerns Mittelfeldspieler Joshua Kimmich (2070).
Die hohe Einsatzzeit ist umso bemerkenswerter und aussagekräftig, weil gerade die Doppelsechs bei Bayer 04 qualitativ und quantitativ extrem stark besetzt ist. Doch während die anderen drei defensiven Mittelfeldspieler, der Anfang der Saison verletzte argentinische Weltmeister Exequiel Palacios (749), DFB-Profi Robert Andrich (1251) und der spanische Nationalspieler Aleix Garcia (1018) mehr oder weniger durchgehend rotieren, ist Xhaka als Xabi Alonsos verlängerter Arm auf dem Platz immer gefragt.
Seine verpassten Spielminuten geben Aufschluss darüber, wie wichtig Xhaka für seinen Trainer ist. So wechselte dieser den Schweizer zweimal aus – beim Stand von 3:0 im Pokal gegen Elversberg und bei einem 4:0 in Rotterdam in der Champions League, als die Partien jeweils gelaufen waren.
Zweimal begann Xhaka nicht, zweimal geriet Bayer ins Wanken
Xhaka ist für Xabi Alonso offenbar unverzichtbar: Zweimal nominierte der Spanier seinen Taktgeber nicht, zweimal geriet das Leverkusener Spiel früher oder später aus den Fugen. Beim 1:0-Sieg im Erstrundenspiel im DFB-Pokal bei Viertligist Jena wechselte Xabi Alonso seine Nummer 34 genauso im Laufe der zweiten Hälfte ein, um Bayers Spiel zu stabilisieren, wie beim 1:1 in der Champions League bei Stade Brest.
Ohne den Spiritus Rector geht es aus Sicht des Cheftrainers also nicht. Und mit ihm läuft es jetzt für Bayer 04 wieder richtig gut, weil der Spanier mit seinen Korrekturen wieder die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass nicht Xhakas wenige Schwächen, sondern wieder seine vielen Stärken zum Tragen kommen.