Seit Samstag ist Henrik Köncke neuer Präsident des HSV e.V. und Nachfolger von Marcell Jansen. Betitelt wird er vor allem als Ex-Ultra. Aber wen bekommt der Verein da wirklich als neues Aushängeschild?
Der neue HSV-Präsident hat schon eine Weiche gestellt
Rund drei Stunden nach der Wahl am Samstagabend stellte sich Köncke den Medienvertretern im VIP-Bereich der Westtribüne des Volksparkstadions. Groß geworden ist er in dieser Arena auf der Nordtribüne. 1997 begann mit sieben Jahren sein Fan-Dasein, als er an der Hand von Thomas Gravesen Einlaufkind war; seit dem 15. Lebensjahr hat er eine Dauerkarte, mit 24 wurde er Vorsänger auf der Nordtribüne. Nach seinem imposanten Wahlerfolg (65,71 Prozent im ersten Wahlgang) und einem insgesamt rund neunstündigen Sitzungs-Marathon wirkt er erschöpft und glücklich zugleich. „An den Titel Präsident“, sagt er, „muss ich mich erstmal gewöhnen. Es ist noch sehr surreal.“
Der Boss aus der Kurve sieht sich nicht als Bernstein 2.0
Woran sich der HSV gewöhnen oder eben nicht gewöhnen muss, hat Köncke in den Tagen vor und in den Momenten nach seiner Wahl auch bereits gesagt. Er ist gelernter Schifffahrts-Kaufmann und bei Hapag-Lloyd angestellt, seit zwei Jahren im Aufsichtsrat und macht gern deutlich, dass er nicht allein auf seine Erfahrungen aus der Kurve reduziert werden will. Sein Weg erinnert an den des verstorbenen Ex-Hertha-Präsidenten Kay Bernstein, als Bernstein 2.0 sieht er sich nicht. Er will den Verein innerhalb des Stadtbildes noch größer machen und für eine Haltung stehen.
- Das plant die erste Frau im HSV-Präsidium
Köncke versteht es, seine Ziele klar zu formulieren, ohne auch nur leiseste Kritik an seinem Vorgänger Jansen durchklingen zu lassen („Das Präsidium in den letzten Jahren hat einen guten Job gemacht“), er scheut auch nicht den Konflikt mit Teilen der Kurve. Die beschämenden Attacken auf Kölner Fans im Januar dieses Jahres hat er auf der Mitgliederversammlung ebenso scharf verurteilt wie deplatzierte Proteste gegen die Hamburger Polizei auf der Nordtribüne. Köncke strebt außerdem eine Vorbildrolle für den HSV bei gesellschaftspolitischen Themen an.
Mit seinen beiden Vizes, Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig und Michael Papenfuß, muss sich Köncke erst finden, sie sind nicht im Team angetreten, er gibt aber auch in dieser Hinsicht den Brückenbauer: „Wir haben sehr viele inhaltliche Überschneidungen, ich habe das Gefühl, dass es ihnen so um den HSV geht wie mir. Beides sind tolle HSVer und tolle Menschen.“
„Ich weiß genau, auf welches Amt ich mich beworben habe.“ (Henrik Köncke)
Ein erstes Projekt, über das am Samstag ebenfalls abgestimmt wurde, hat Köncke bereits vor seiner erfolgreichen Wahl vorangetrieben: Die Einrichtung des „Supporters Trust“, eine geplante Genossenschaft, über die Mitglieder Anteile an der Fußball-AG erwerben können. Innerhalb von drei Jahren könnten rund 100 Millionen Euro eingenommen werden. Köncke gehörte zur Arbeitsgruppe – und hat damit eine Weiche zum Weg in die Zukunft bereits im Vorfeld seiner Präsidentschaft gestellt.
Den Fanblock, das hat die große Präsenz der aktiven Fanszene auf der Mitgliederversammlung gezeigt, hat der neue HSV-Präsident allein aufgrund seiner „Herkunft“ hinter sich. Jetzt will er mehr als „nur“ die Kurve kriegen, dafür auch die Stunden in seinem Hauptberuf reduzieren. „Das ist mein Vorhaben. Ich will der Aufgabe beim HSV auch vom Zeitaufwand her gerecht werden. Ich weiß genau, auf welches Amt ich mich beworben habe.“