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Einer, der sich nicht profilieren wollte

Am Mittwoch verstarb Werder Bremens Rekordspieler Dieter Burdenski überraschend im Alter von nur 73 Jahren. Ein Nachruf auf den ehemaligen Nationaltorhüter.

Ein Nachruf auf Dieter Burdenski

Zwölfmal stand er zwischen den Pfosten der deutschen Nationalmannschaft. Wer weiß, wie oft Dieter Burdenski zum Einsatz gekommen wäre, hätten die Mitstreiter in seinen großen Jahren nicht Sepp Maier oder Toni Schumacher geheißen – Konkurrenten mit Weltklasseformat.

Wenn Schock und Betroffenheit über den plötzlichen Tod des Ausnahmesportlers am vergangenen Mittwoch einmal weichen, werden herausragende Leistungen, aber auch viele kuriose Momente einer in dieser Hinsicht beispiellosen Karriere in Erinnerung bleiben.

Fern seiner Geburtsstadt Bremen zieht das Talent einst erstmals die Handschuhe an. Vater Herbert, einst selbst Nationalspieler und Profi bei Werder, hatte es als Trainer von der Weser zurück in dessen Heimat Gelsenkirchen verschlagen – mit Familie. Sohn Dieter wächst bei Schalke 04 heran. Am 5. Dezember 1970 steht in seinem ersten von insgesamt 478 Bundesligaspielen die „Null“, das Spiel mit den Königsblauen endet torlos – und Gegner ist ausgerechnet der SV Werder, für den Burdenski später mit 444 Einsätzen zum internen Bundesliga-Rekordspieler werden soll.

Das verkaufte Spiel gegen Bielefeld

Am 13. Dezember 1970 hält Burdenski als erster Torhüter überhaupt in der deutschen Pokalgeschichte einen Ball im neu geschaffenen Elfmeterschießen – und wird zu Schalkes Pokalheld beim Weiterkommen gegen Wolfsburg. Und am 17. April 1971 verhindert er gegen Bielefeld mehrfach den drohenden Rückstand, ehe ihm ein Mitspieler jene legendären Worte zuraunt: „Mensch Budde, geh‘ zur Seite!“

Was der damals 20-Jährige bei seinem erst zweiten Bundesliga-Match nicht wusste: Die Partie war zuvor an Arminia verkauft worden – die 0:1-Pleite in der Glückauf-Kampfbahn wird zu einem Schlüsselspiel im großen Bundesliga-Skandal. „Erst eineinhalb Stunden vor dem Spiel habe ich von Norbert Nigburs Verletzung erfahren“, klärt Burdenski später einmal über den Ausfall der damaligen Schalker Nummer eins und seine Unwissenheit auf. „Ich war zuvor nicht einmal mit im Trainingslager.“ Dort, wo die Mitspieler vereinbart hatten, das Spiel zu verschaukeln.

Burdenski wechselt nach der Saison zu eben jenen Bielefeldern, die sich mit Geld den Verbleib in der Liga verschafft hatten, dann aber mit dem Lizenzentzug 1972 bitter bestraft werden. Doch der Torhüter nutzt die Zeit bei den Ostwestfalen wie ein Sprungbrett. Als „Kronprinz von Sepp Maier“ lobt ihn die Öffentlichkeit, am Ende wechselt er für die damals – erst recht bei einem Torhüter – ansehnliche Summe von 340.000 D-Mark nach Bremen.

Comeback in der Regionalliga – mit 51

Mit dem „W“ auf dem Trikot wird er am 8. September 1979 per Strafstoß beim 2:3 gegen Stuttgart einmal zum Torschützen, steigt 1980 mit Werder ab und spielt ein Jahr 2. Liga, feiert aber 1988 mit seinem Herzensklub auch die Deutsche Meisterschaft, wenngleich schon als Back-up für Nachfolger Oliver Reck.

Intermezzi bei AIK Solna in Schweden und beim niederländischen Klub Vitesse Arnheim folgt, wieder im Bremer Trikot, noch im reifen Alter von 51 ein Comeback im Kasten – ohne Happy End. Eigentlich als Torwarttrainer engagiert, war er uneigennützig beim 1:3 der „Zweiten“ in der Regionalliga in Chemnitz eingesprungen, nachdem alle anderen infrage kommenden Fänger verletzt oder gesperrt gefehlt hatten. Burdenskis anschließender Kommentar im kicker zu dem unglücklichen Auftritt steht fast sinnbildlich für sein Lebenswerk: „Im Fußball kann man sich nicht aussuchen, ob man gut oder schlecht aussieht. Ich wollte mich nicht profilieren, nur helfen.“

Dieter Burdenski erkennt früh die Chancen, die sich aus dem Dasein als Profi ergeben. 2017 steigt er als Anteilseigner beim polnischen Erstligisten Korona Kielce ein. Vor allem aber mit einer eigenen Firma organisiert er schon ausgangs seiner Zeit als Spieler unter anderem Trainingslager, Sportreisen, Fußballschulen, Spiele mit der Werder-Traditionself und Turniere, darunter das wohl bekannteste Hallen-Event, das jährlich im nahen Oldenburg stattfindet. Nicht allein sein großes Netzwerk, sondern vor allem die Nähe zum Geschehen, seine empathische, verbindliche Art, mit den Menschen umzugehen, helfen ihm zum geschäftlichen Erfolg und verschaffen ihm Zeit seines Lebens eine bleibende Beliebtheit bei Weggefährten und Fans.

Ein aus Torhütersicht eher wenig anspruchsvolles Länderspiel vor über 40 Jahren, am 27. Februar 1980, wird für Dieter Burdenski zum persönlichen Highlight. 8:0 gegen Malta. „Zwei Ecken, ein Torschuss – mehr hatte ich nicht zu tun“, bekennt er einmal vor vielen Jahren. Aber: Jenes Spiel in der EM-Qualifikation findet in Bremen statt. „Es hat mich sehr stolz gemacht, in meinem Stadion, meiner Stadt, meinem Umfeld und meiner Fangemeinde für Deutschland zu spielen.“

Nicht einmal eine Woche ist es nun her, dass dieses Weserstadion ein letztes Mal zur Bühne des inzwischen 73-Jährigen werden sollte. Beim jüngsten Heimspiel gegen Freiburg läst das Publikum vorab noch einmal jene Helden hochleben, die sich anlässlich der 25. Wiederkehr von Werders DFB-Pokalsieg 1999 an alter Wirkungsstätte treffen. Burdenski, beim Triumph in Berlin als Torwarttrainer dabei, feiert mit und niemand ahnt, dass es ein letztes Wiedersehen sein wird. Nur vier Tage später stirbt Werders Ehrenspielführer, von denen es bei den „Grün-Weißen“ nur sieben gibt, plötzlich und unerwartet.

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