Punktuell hatte sich der Klub dem massiven Einfluss von Dietmar Hopps Intimus Roger Wittmann hier und da mal widersetzt. Jetzt erfolgt die kategorische Abkehr, das ist ein bedeutsamerer Schritt als der schon mehrfach gelungene Klassenerhalt und eröffnet dem gegeißelten Klub die Chance für einen Neustart. Ein Kommentar von kicker-Reporter Michael Pfeifer.
Wenn ein Berater zur Belastung wird
Diese denkwürdige Spielzeit, in der die TSG 1899 Hoffenheim auch ihr 125. Jubiläum feierte, hat an überraschenden Wendungen und gravierenden Kurswechseln so einiges zu bieten und wird zwar nicht in sportlicher Hinsicht, dafür in Bezug auf die Frequenz relevanter Entscheidungen personeller oder inhaltlicher Art wohl als Rekordsaison in die Annalen eingehen.
Zur Erinnerung: Innerhalb nicht mal eines Jahres wurde die Rückkehr in den Kreis der 50+1-Klubs ratifiziert, mit Jörg Albrecht ein neuer 1. Vorsitzender und dadurch neben Mäzen Dietmar Hopp ein formal noch einflussreicher Gesellschafter installiert, es gab auch im sportlichen Bereich den kompletten Schnitt inmitten der Saisonvorbereitung mit der Trennung von Sportgeschäftsführer Alexander Rosen und vom Technischen Direktor Bastian Huber sowie dem freiwilligen Rückzug des Direktors Profifußball, Pirmin Schwegler.
„Freundliche Übernahme“ aus Österreich
Es folgte häppchenweise, aber letztlich eine vollumfängliche „freundliche Übernahme“ aus Österreich. Erst wurde Rosen-Nachfolger Andreas Schicker installiert, der zügig seinen Vertrauten Paul Pajduch als Technischen Direktor, und schließlich nach der sich abzeichnenden Entlassung von Cheftrainer Pellegrino Matarazzo auch den kompletten Trainerstab von Österreichs Doublesieger Sturm Graz nachholte. Mittlerweile wird bereits auch schon wieder die Zukunftsfähigkeit und Perspektive des Trainerteams zumindest arg hinterfragt und werden bereits potenzielle Nachfolger gehandelt.
Es ist bemerkenswert, dass die Mannschaft angesichts all dieser Verwerfungen und Turbulenzen noch halbwegs auf Kurs Klassenerhalt liegt. Aber noch viel bemerkenswerter ist die neuerliche Wendung und die nun proklamierte Abkehr von der als unerschütterlich gewähnten Allianz von Dietmar Hop und dessen Einflüsterer Roger Wittmann und dessen massiven Einfluss auf die TSG und deren Personalpolitik. Für langjährige Beobachter der Szene eine längst überfällige Zäsur und zugleich auch ein spätes Eingeständnis der gerne auch relativierten oder abgestrittenen wahren Verhältnisse.
Wittmann wurde mehr und mehr zu einer Belastung
Dieser Berater und seine spezielle Rolle wurde mehr und mehr zu einer Belastung, die sogar in der Kabine, wie im engeren Umfeld oder in der Außenwahrnehmung regelmäßig für Irritationen, Skepsis, Vorbehalte, Argwohn und Misstrauen sorgte, was die punktuellen Vorteile dieser Partnerschaft unter dem Strich in der Wirkung überwog und die Entwicklung des Klubs und der Mannschaft eher bremste als förderte.
Es muss sich fortan zeigen, wie nachhaltig dieser Einschnitt tatsächlich gelebt und getragen wird. Ist das der Fall, kann dieser Tag bei dem Kraichgauer Bundesligisten eine echte Zeitenwende einläuten und für die operativ Verantwortlichen einen Befreiungsschlag bedeuten.
Einen kategorischen Schnitt wird es schon deshalb nicht geben können, weil Wittmann noch Spieler bei der TSG unter Vertrag hat (Tohumcu, Yardimci) oder ab Sommer haben wird (Lemperle). Zudem ist er mit Hopp auch auf anderer Ebene und bei den Partnerklubs Barra (Brasilien) und Viseu (Portugal) geschäftlich verbandelt. Aber Macht und Mandat, die Wittmann bislang zugestanden wurden, dürften nun radikal beschnitten und eingedämmt werden.