Die meisten Kommandos auf dem Trainingsplatz gibt nicht Chefcoach Horst Steffen, sondern sein Co-Trainer: Raphael Duarte spricht über seinen Werdegang, Respekt und die Rollenverteilung bei Werder.
Sprachtalent leitet die Werder-Einheiten
Aus Bremens Trainingslager in Zell am Ziller berichtet Tim Lüddecke
Bereits in der allerersten Trainingseinheit unter dem neuen Werder-Chefcoach fiel etwas ins Auge, was vermeintlich überraschend war: Während Horst Steffen, die Hände gern in seine Hosentaschen vergraben, sich am Rand der Spielformen oftmals in die Beobachterrolle begab und nur vereinzelt auf das Geschehen einwirkte, leitete sein Co-Trainer das Ganze lautstark an. Der 29-jährige Raphael Duarte vermittelte die Inhalte der Übungen, erklärte, wie die Abläufe funktionieren – und gab immer wieder weitere Anweisungen rein.
Steffen lässt dem gebürtigen Luxemburger, der ihm bereits bei der SV Elversberg dreieinhalb Jahre assistierte, ziemlich freie Hand in der Trainingsgestaltung – dieser Eindruck hat sich längst bestätigt, auch während der Einheiten im Zillertal. Nach dem Vormittagstraining am Dienstag erscheint Duarte dann zum Gespräch, macht jedoch zu Beginn gleich mal deutlich: „Horst überträgt mir viel Verantwortung, vor allem im Trainingsbereich – aber er ist natürlich trotzdem der Chef.“
Duarte will Steffen „so viel wie möglich abnehmen“
Wenn so eine Werder-Einheit erst einmal läuft, dann geht Duarte oftmals in Hockstellung energisch mit bei den Aktionen der Profis mit; Steffen steht indes mit den Armen hinten Rücken verschränkt in dessen Schatten, gibt nur sehr dosiert seine Kommandos zum Besten, wenn er mal lobt und in die Hände klatscht, oder auch mehr Fokus fordert: „Kommt jetzt, kommt jetzt!“ Auch der zweite Co-Trainer Christian Groß hält sich in den Spielformen größtenteils zurück.
Wie gestaltet sich also die Aufgabenteilung bei den Bremer Coaches? Neben der Trainingsgestaltung landen auch „die ganzen Informationen sowie die super Vorarbeit der Analysen erstmal bei mir – und von dort geht das weiter zu Horst“, erklärt Duarte: „Man versucht einfach, ihm so viel wie möglich abzunehmen, weil er sehr, sehr viele andere Aufgaben hat.“ Insbesondere in Sachen Kommunikation mit der Mannschaft, also im direkten Austausch mit den Spielern.
Spielerkarriere? „Das Talent war nicht vorhanden“
Werder-Rückkehrer und Trainer-Neuling Groß sei wiederum schwerpunktmäßig für die „individuellen Themen“ zuständig – sowohl bei speziellen fußballerischen Punkten, als auch mit dem gezielten Blick auf die einzelnen Spieler. Und im Vergleich zu ihm selbst bringt der 36-Jährige auch „seine ganze Erfahrung als Ex-Spieler rein“, sagt Duarte.
Dass es für ihn nicht zum Fußballprofi gereicht hatte, war „sehr früh“ abzusehen, erklärt er grinsend: „Das Talent war nicht vorhanden. Ich habe dann gemerkt, dass es mich mehr interessiert, Trainer zu werden – und mit 18, 19 habe ich auch aufgehört, Fußball zu spielen.“
Mit 29 in der Bundesliga: „Kneifen muss ich mich nicht“
Es folgten Stationen als Jugend-, Co-Trainer und schließlich Cheftrainer in der luxemburgischen Ehrenpromotion beim FC Jeunesse Cannach. Daraufhin verbrachte Duarte ein halbes Jahr als Co-Trainer beim französischen Zweitligisten AS Nancy – anschließend erfolgte der Wechsel nach Deutschland.
Dass er als 25-Jähriger im Saarland gestartet und mit 29 in der Bundesliga angekommen ist, entspricht einem Aufstieg, für den er zwar „dankbar“ sei: „Trotzdem muss ich mich nicht kneifen, sondern es war mir auch bewusst, dass ich dort hinkommen kann.“
Junge Trainer? „Relativ normal geworden“
Duarte hält diese Konstellation sogar nicht mal für so ungewöhnlich: „Ich glaube, dass es mittlerweile viele Beispiele dafür in Deutschland gibt, und dass es relativ normal geworden ist. Zumal viele Spieler aus Leistungszentren kommen und es gewohnt sind, mit jungen Trainern zu arbeiten.“ Fehlender Respekt aufgrund des Alters sei somit jedenfalls „gar kein Thema“.
Gerade diesbezüglich habe sich Duarte von vielen Ansichten seines Cheftrainers (über die Steffen im kicker-Interview ausführlich spricht) inspirieren lassen: „Horst legt sehr viel Wert auf das Miteinander, auf Mannschaftsführung und darauf, dass die Gruppe sich untereinander gut versteht. Dieser respektvolle Umgang gefällt mir sehr gut.“
Duarte über Steffen: „Da können wir uns alle eine Scheibe abschneiden“
Duarte kommt dabei zusätzlich zugute, dass er „fünfeinhalb“ Sprachen fließend spricht: „Nur Spanisch ist nicht so super, aber es geht.“ Dazu: Luxemburgisch, Deutsch, Portugiesisch, Französisch, Englisch. „Es hilft auf jeden Fall, dass man mit den Spielern auf ihrer Muttersprache sprechen kann“, sagt er.
Der Steffen-Assistent weiß seine Freiheiten unter seinem Chef zumindest ausdrücklich zu schätzen: „Ich glaube nicht, dass jeder Co-Trainer so viel Verantwortung übernehmen darf. Aber es ist nicht nur das: Ich lerne auch sehr viel durch seine Art und Weise aufs Leben, aber auch auf den Fußball zu blicken. Ich finde, da können wir uns alle eine Scheibe abschneiden.“

