Der FC Bayern ist frühzeitig und verdient Deutscher Meister geworden. Was doch auch okay ist. Ein Kommentar von kicker-Reporter Mario Krischel.
Kommentar zum Titel
Dann ist jetzt also alles so wie immer, oder?
Der FC Bayern hat seine geliebte Meisterschale zurück nach München geholt, und der Rest von Fußball-Deutschland muss überlegen, wie er die nächste Elf-Titel-Serie des Rekordmeisters verhindern kann. Leverkusen-like, oder so ähnlich. Hauptsache kein „Mia san Mia“ entstehen lassen an der Säbener Straße, bevor alles zu spät ist! Richtig?
Es ist schon so, dass die Bayern zwar wieder Meister sind und das auch völlig verdient übrigens. Aber dass sie trotzdem noch nicht den Glanz alter Tage versprühen, werden die Wenigsten bestreiten. Die angenehme Arroganz fehlt genau wie die sportliche Über-Dominanz und dieser Schuss Überheblichkeit, für den man Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge zwar ganz gerne verflucht, aber insgeheim auch ein bisschen bewundert hat.
Max Eberl ist vor rund 14 Monaten in einen Sumpf eingetaucht, der langsam wieder etwas klarer wird, aber viel mehr noch nicht. Man merkt ihm den Stress an, den ein Job „ganz oben“ beim größten Klubs Deutschlands so mit sich bringt. Seine Witze wirken oft ein bisschen erzwungen, Wortgefechte mit Reportern in der Mixed Zone haben außerdem noch niemandem geholfen. Aber insgesamt hat Eberl zumindest zwei Volltreffer gelandet. Der eine heißt (mit Vorleistung anderer) Michael Olise, der andere (nach zahlreichen Fehlversuchen) Vincent Kompany.
Der Trainer lässt sich nicht ein auf Nebenschauplätze, er kommuniziert clever und bedacht, hält sich aus allen Themen abseits des Fußballs raus.
Der Spektakel-Fußball aus der Hinrunde hat nachgelassen
Und auf dem Platz wusste seine Mannschaft oft zu gefallen. Der Highlight-Hinrunde mit mitreißenden Spielen wie in Frankfurt (3:3) oder gegen Leipzig (5:1) folgten zwar mehr und mehr überschaubare Veranstaltungen, doch insgesamt geht der Zeiger in die richtige Richtung. Der FC Bayern muss agieren und nicht reagieren. Und im Idealfall muss er dann auch mehr Tore schießen, als das zuletzt der Fall war.
Womit wir beim vermeintlichen Kratzer auf dieser Meisterschale wären. Die Bayern sind zwar wieder Deutscher Meister, aber sie werden ja schon wieder nur Deutscher Meister.
Oder?
Oder führt das nicht ein wenig am Thema vorbei?
Oder darf man sich als FC Bayern über gar nichts mehr freuen? Was ist das für ein Quatsch, dass ein Meistertitel direkt mit einem „Ja, aber“ verunglimpft wird? Oder sogar mit mehreren.
Ja, aber Leverkusen war ja viel schlechter als in der Vorsaison. Was genau können die Bayern dafür? Ach so, sie wurden ja im Februar von Leverkusen an die Wand gespielt und haben mit Glück ein 0:0 gerettet und haben sich bis heute noch nicht davon erholt. Sie standen seit dem 3. Spieltag immer an der Tabellenspitze, das hat übrigens nicht mal Pep Guardiola geschafft.
Ja, aber in der Champions League sind die Bayern schon im Viertelfinale ausgeschieden! Aber deshalb müssen sie sich doch nicht dafür entschuldigen, über ein Dreivierteljahr die erfolgreichste Mannschaft der Bundesliga gewesen zu sein, oder? Die Bayern wissen schon auch, dass sie die Erwartungen in der Champions League keineswegs erfüllt haben, im Gegenteil: Sie können zwar zu Recht auf personelle Probleme verweisen, aber auch mit Alphonso Davies und mit Dayot Upamecano sind sie bereits in Barcelona oder Rotterdam untergegangen. Das war insgesamt keine gute Königsklassen-Saison, erst recht nicht, wenn man unbedingt meinte, das „Finale Dahoam“ lieber „Titel Dahoam“ nennen zu müssen.
Unter Tuchel verloren die Bayern acht Ligaspiele, jetzt sind es zwei
Ja, aber die Bayern geben ja auch mit Abstand das meiste Geld aus und müssen jede Saison Meister werden. Werden sie ja auch, also fast zumindest. Leverkusen hat unter Xabi Alonso eine dermaßen gute Vorsaison gespielt, dass eine ganz gute Bayern-Saison unter Thomas Tuchel nicht genug war. Vergisst eigentlich jeder, dass die Bayern in der Bundesliga acht (!) Spiele verloren hatten? Das war fast jede vierte Partie. Und jetzt soll Harry Kane den ersten Titel seiner Karriere nicht ausgiebig genießen dürfen, weil er womöglich mehr verdient als alle Kieler zusammen?
Also bitte, der Fußball ist so wunderbar und scheußlich und schnelllebig, dass doch in vier Wochen sowieso keiner mehr fragt, ob die Bayern jetzt Meister wurden oder nicht. Dann müssen sie schließlich bei der Klub-WM ran und den nächsten ganz tollen Wettbewerb spielen, in dem es ganz wunderbar viel Geld zu verdienen gibt.
Es muss nicht immer alles schwarz oder weiß sein. Grau ist doch auch mal okay. Und Meister werden ist absolut okay.
Ja, aber die Bayern haben ja für Florian Wirtz so viel Geld ausgegeben, wie kein anderer könnte.
Heben wir uns dann fürs nächste Jahr auf.