Nach jahrelangem Rechtsstreit hat das Bundesverfassungsgericht die Bremer Gebührenordnung für zulässig erklärt. Werder hofft aufgrund der finanziellen Folgen auf die Solidarität der anderen 35 Profiklubs. Innensenator Mäurer rechnet damit, dass weitere Bundesländer nachziehen. Scharfe Kritik kommt von einer Fanorganisation.
Polizeikosten bei Hochrisikospielen
Die DFL wird nicht weiter gegen die Bremer Gebührenordnung vorgehen, wonach Werder seit zehn Jahren die polizeilichen Mehrkosten bei Hochrisikospielen in Rechnung gestellt werden. „Mit diesem Urteil ist der Rechtsstreit über den Gebührenbescheid von 2015 beendet. Immerhin hat das Bundesverfassungsgericht heute gesagt, dass es ein Gemeinwohlinteresse an der Ausrichtung von Spielen der Bundesliga gibt“, betonte Bernd Hoefer aus Kiel, der Rechtsanwalt des Ligaverbands. Welche Schlussfolgerungen die DFL aus dem Urteil zieht, ist noch offen.
Als Sieger aus dem jahrelang währenden Rechtsstreit geht Bremens Innensenator Ulrich Mäurer hervor, auf dessen Initiative die Bürgerschaft der Hansestadt 2014 eine entsprechende Gebührenordnung beschlossen hatte. Die Regelung ist rechtmäßig, einige Bundesländer überlegen nachzuziehen. Eine von Mäurer favorisierte Fondslösung, mit der alle Klubs beteiligt würden, wird bisher von den anderen 35 Vereinen abgelehnt.
„Ich glaube, dass der Druck inzwischen gewachsen ist, aber man kann sich natürlich weiterhin verweigern. Ob das gut ist, ist eine andere Frage jedenfalls. Wenn die DFL sich nicht bewegt, wird genau das kommen, was ich erwarte, dass einzelne Bundesländer Gebührenordnungen erlassen, und dann muss man so oder so zahlen“, erklärte Mäurer.
Brauer: „Die DFL hat mindestens eine Co-Veranstalterrolle“
Die bisherigen Rechnungen über rund zwei Millionen Euro hat die DFL an Werder weitergereicht. Die anderen 35 Vereine hatten bereits vor einiger Zeit beschlossen, sich nicht an den Kosten zu beteiligen. „Meine Erwartungshaltung ist, dass wir Diskussionen führen, damit Werder die Zeche nicht allein zahlen muss. Dabei ist festzuhalten, dass die DFL mindestens eine Co-Veranstalterrolle hat und auch die Anhänger eines Gastvereins dazu beitragen, dass ein Spiel ein Hochrisikospiel wird“, sagte Tarek Brauer, Werders Geschäftsführer Organisation und Personal. In seinen Leitsätzen fordert das Gericht alle Beteiligten auch dazu auf, die „Zusatzbelastung fair zwischen den jeweils Betroffenen zu verteilen“.
Die nächste Gelegenheit, darüber unter den 36 Vereinen zu diskutieren, wäre die außerordentliche DFL-Mitgliederversammlung am Donnerstag in Frankfurt, die bisher aber nur monothematisch ausgerichtet ist auf die Frage, wie die TV-Gelder ab der Saison 2025/26 verteilt werden sollen.
„Nicht ersichtlich“, warum Mehrkosten auf Steuerzahler abgewälzt werden sollen
In seinen Leitsätzen zum Urteil machte der Erste Senat klar, dass es „dem Gesetzgeber auch vor dem Hintergrund der Haushaltssituation des Landes Bremen darum geht, dass die über die Jahre kontinuierlich ansteigenden Polizeikosten für die Begleitung gewinnorientierter privater Veranstaltungen im öffentlichen Raum nicht durch die Gesamtheit der Steuerzahler, sondern auch durch die wirtschaftlichen Nutznießer der Polizeieinsätze geschultert werden“.
Das Bundesverfassungsgericht hält die Norm für verhältnismäßig, da die Gebühr „nur bei Veranstaltungen erhoben wird, die zum Zwecke der Gewinnerzielung durchgeführt werden“. Dabei handele es sich „oft um Spiele rivalisierender Vereine mit Derby-Charakter, die viele Zuschauer sehen wollen, wovon wiederum die Veranstalterinnen und Veranstalter wirtschaftlich profitieren“.
Es sei nicht ersichtlich, warum die Mehrkosten bei Hochrisikospielen auf den Steuerzahler abgewälzt werden sollen, denn „die polizeilichen Basiskosten werden von der Allgemeinheit finanziert“, eine „unangemessene Belastung ist nicht erkennbar“.
Fanorganisation „Unsere Kurve“ gibt sich „fassungslos“
Die DFL fand kein Gehör beim Bundesverfassungsgericht mit ihren Bedenken, dass Mehrkosten von Hochrisikospielen mit über 5000 Zuschauern unüberschaubar seien, weil es allein den Behörden vorbehalten seien, diese zu klassifizieren und zu entscheiden, wie viele und aus welchen Bundesländern die Beamten kommen.
Man werde sich dafür einsetzen, dass „die Kriterien konkretisiert und die Einsatzplanung transparenter für diejenigen gestaltet werden, die als Gebührenschuldner für die zusätzliche Bereitstellung von Polizeikräften herangezogen werden könnten“, teilte die DFL als Reaktion auf das Urteil mit.
Scharfe Kritik kommt von der Fanorganisation „Unsere Kurve“, die den Richterspruch aus Karlsruhe „fassungslos zur Kenntnis“ nimmt. „Durch das heutige Urteil verkommt Polizeiarbeit zur simplen Dienstleistung. Es ist nun unabdingbar, dass den Klubs Entscheidungsgewalt in der polizeilichen Einsatzplanung eingeräumt wird und überdimensionierte Polizeieinsätze endlich ein Ende haben. Da Fans an vielen Standorten eng mit dem eigenen Verein im Austausch sind, muss jetzt auch deren Expertise Einfluss finden“, kritisiert Jost Peter, der 1. Vorsitzende.
Sprecher Thomas Kessen fordert: „Das heutige Urteil muss fair und gleich auf alle öffentlichen Großveranstaltungen angewendet werden. Wir erwarten nun vom Freistaat Bremen jährliche Rechnungen an die Veranstalter des Bremer Freimarkts. Auch das Münchner Oktoberfest, der Kölner Karneval und die Silvesterpartys am Brandenburger Tor müssen den Veranstaltern in Rechnung gestellt werden. Ob wir als Gesellschaft das allerdings wollen, darf bezweifelt werden – und ebenso zweifelhaft ist das heutige Urteil.“