Auf der letzten Rille kämpft sich Eintracht Frankfurt in Richtung Winterpause. Das 1:0 über den FC Augsburg besänftigt fürs Erste die Stimmung, weil das Pendel gleich mehrfach in Richtung der Hessen ausschlägt.
Krösche wirbt um Verständnis
Der gebrauchte Tag von Fares Chaibi nahm schon vor dem Spiel in der Kabine seinen Lauf. Dort streifte sich der Algerier ein Trikot über, auf dem das Wappen der Hessen zwar am richtigen Platz auf der Brust platziert war, der Adler aber kopfüber stand. In der Halbzeitpause war es nicht mehr nötig, den Trikotfauxpas zu korrigieren, denn Chaibi durfte gleich in der Kabine bleiben und seine Sachen für die anstehende Reise zum Afrika-Cup packen. Mit sage und schreibe acht gespielten Pässen in 45 Minuten, zwei davon zum Gegner, hatte die Bewerbung für die Auswechselung auch maximale Erfolgsaussichten.
Gesellschaft leistete ihm Mario Götze, der nach immerhin 18 Pässen, aber keinem einzigen gewonnen Zweikampf ebenfalls vorzeitig in den Feierabend durfte. Die Statistiken der beiden Offensivspieler stehen exemplarisch für das Frankfurter Angriffsspiel in der ersten Hälfte gegen den FC Augsburg.
Es folgte das Unausweichliche: Es wurde besser, zumindest etwas. Nathaniel Brown und Can Uzun durften rein und halfen dabei, das Spiel zu beleben. Gleiches galt eine Viertelstunde später für Aurele Amenda und Oscar Höjlund. Unverändert hingegen blieb auch in der zweiten Hälfte die Tatsache, dass die Eintracht beim 1:0-Heimerfolg das Glück am Samstagnachmittag gepachtet hatte.
Zentimeter machen den Unterschied
Die Augsburger lieferten wahrlich kein gutes Fußballspiel ab, doch sie waren nur wenige Zentimeter davon entfernt, die Frankfurter Unzulänglichkeiten zu bestrafen. Für die Schlafmützigkeit in der Anfangsphase hätte die Eintracht durchaus einen Gegentreffer verdient gehabt. Gleiches gilt für die Schlussminuten, als der Augsburger Druckphase kaum etwas entgegengestellt werden konnte. Doch bei beiden FCA-Toren deckte der VAR knappe Abseitspositionen auf und zog mit in Summe annähernd zehn Minuten Überprüfungszeiten dazu bei, die ohnehin schon langatmige Partie noch weiter in die Länge zu ziehen.
Das Spiel, das im Grunde keinen Sieger verdient hatte, kippte ebenfalls wegen wenigen Zentimetern in Richtung der Hessen. Das starke Dribbling Ritsu Doans endete in einem Schuss, in den FCA-Abwehrchef Chrislain Matsima einen Tick zu spät hereinrutschte – und den Ball deshalb nicht blockte, sondern unhaltbar ins eigene Tor abfälschte.
Für Trainer Dino Toppmöller war es speziell in der zweiten Hälfte „eine absolute Willensleistung“. Mit Blick auf das Tor ist diese Einordnung zweifellos korrekt. Angefangen mit der starken Balleroberung von Nnamdi Collins, fortgesetzt vom klugen Doppelpass zwischen Höjlund und Rasmus Kristensen, abgeschlossen von Doan, der gleich drei Augsburger abschüttelte. Mit Blick auf das gesamte Spiel ist es aber doch ein schmaler Grat. Nur wenige Zentimeter trennen den Willen vom dreifachen Glück.
Auf der letzten Rille
Schon im Vorfeld hatte niemand eine vergnügungssteuerpflichtige Partie gegen die Augsburger erwartet. Ganz so zäh hätte es unterm Strich aber nicht werden müssen. „Natürlich haben wir immer den Anspruch, guten Fußball zu spielen und viele Torchancen rauszuspielen. Das ist halt manchmal nicht möglich. Von daher müssen wir heute einfach, auch mit ein bisschen Glück, sagen: Mund abputzen und weiter“, resümierte Markus Krösche.
Ergebnistechnisch und in puncto Einsatz ist die SGE nach dem desolaten 0:6 in Leipzig wieder halbwegs auf Kurs. Mehr aber auch nicht. „Dass es spielerisch deutlich besser geht, das wissen wir. Aber ich glaube einfach, man hat heute gesehen, dass so ein bisschen diese letzte Frische für einen sauberen Kontakt und einen Tiefenlauf mehr gefehlt hat. Der ein oder andere läuft auf der letzten Rille. Und umso wichtiger war es, dass wir das Ding heute trotzdem gezogen haben“, resümierte Toppmöller. Zwischen den Zeilen lässt sich aus den Worten der Verantwortlichen lesen: Es geht in diesen Tagen nicht darum, Fußballfeste zu zelebrieren. Es zählt nur, sich möglichst schadlos in die kurze Winterpause zu retten.
Krösche fordert die Kontextbetrachtung
Krösche warb um Verständnis für den aktuell etwas stotternden Motor. „Wir haben unfassbar viele Spiele und schwierige Wochen hinter uns. Das macht natürlich auch immer was mit Jungs. Natürlich wollen wir auch Gegner wie Augsburg mehr dominieren. Aber man muss das immer in den Gesamtkontext setzen“, so der Sportchef. Gleiches gelte für die kriselnde Stimmung im Umfeld. „Natürlich dürfen wir gegen Leipzig nicht 0:6 verlieren, das war eine desolate Leistung, keine Frage. Aber wir waren und sind immer noch auf Tuchfühlung zu den internationalen Plätzen und dort mitten im Rennen.“
Zum Jahresabschluss beim Hamburger SV sollte punkte- und stimmungstechnisch dennoch ein Sieg her. Um die Personalsituation ist Toppmöller nicht zu beneiden. Chaibi und Ellyes Skhiri sind ab sofort beim Afrika-Cup. Arthur Theate sicherte sich mit seiner 5. Gelben Karte wegen Meckerns eine verfrühte Winterpause.
Sorgen macht zudem die Wade von Robin Koch. „Robin hat seit zwei, drei Wochen schon Probleme mit der Wade, wo er immer wieder auf die Zähne beißt und die Empfehlung dann wahrscheinlich eher ist, dass man ihn mal draußen lässt. Es zeigt seinen Charakter, dass er unbedingt spielen will. Und wenn Robin dann in so einem Spiel, bei dem Spielstand, sagt, dass er ausgewechselt werden muss, dann ging es halt wirklich nicht mehr“, erläuterte Toppmöller.
Wie der Sieg über die Augsburger zustande gekommen ist, interessiert im Grunde jetzt schon nicht mehr und spielt für die Tabelle keine Rolle. Auf eine ebenso große Portion Glück sollten die Hessen im Hamburger Volkspark aber nicht setzen.

