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Carro zu 50+1: „Keine Änderungen notwendig“

Die DFL-Gremienwahl vermittelt Harmonie pur. Doch vor allem ein Thema birgt nach wie vor Sprengstoff. Helfen soll sogar der Kanzler.

Über dem deutschen Kulturgut schwebt weiter ein Damoklesschwert

Von der DFL-Generalversammlung in Berlin berichten Michael Ebert und Thiemo Müller

Bei den Wahlen für die verschiedenen DFL-Gremien präsentierten sich die Reihen der 36 deutschen Profiklubs maximal geschlossen. Kampfabstimmungen blieben bei der Generalversammlung in Berlin aus, sämtliche Kandidaten wurden einstimmig im Eiltempo in ihre Ämter befördert. Unmittelbar danach trat gleichwohl offen zutage: An kontroversen Themen innerhalb des 36er-Feldes mangelt es weiterhin nicht. Insbesondere rund um das Thema 50+1 droht weiterhin eine Zerreißprobe – mit einer möglichen Klage als Damoklesschwert über diesem Kulturgut des deutschen Fußballs.

Die jüngste, wenn auch noch vorläufige und rechtlich unverbindliche, Stellungnahme des Bundeskartellamts hatte deutlich durchblicken lassen: Nach Ansicht der Behörde müssten insbesondere die Ausnahmeklubs Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg, bislang als 100-prozentige Töchter vom Bayer- bzw. VW-Konzern am Start, weitreichende Zugeständnisse machen, damit die 50+1-Regel auch perspektivisch rechtssicher zur Anwendung kommen könne.

Dem jedoch widersprach das von der 1. Liga einstimmig frisch benannte DFL-Aufsichtsratsmitglied Fernando Carro, zugleich Klubchef von Bayern Leverkusen, prompt: „Ich kann nur sagen, dass wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten mit den Regularien, so wie sie sind, sehr gut gelebt haben. Ich sehe keine Notwendigkeit, etwas zu ändern.“

Die klare Botschaft:  Auch Carro steht fest hinter 50+1 – freilich nur auf Basis der bestehenden, vom Kartellamt aber monierten, Ausnahmen. Diese wiederum sind den Puristen im 36er-Feld ohnehin seit längerem ein Dorn im Auge. Verbunden mit der Hoffnung, jetzt die Gelegenheit nutzen zu können, um die Ausnahmen mindestens deutlich aufzuweichen. Derweil erwartet Carro von sämtlichen Vereinen Loyalität gerade gegenüber den Ausnahmeklubs: „Die Gesamtthematik betrifft nicht nur Wolfsburg und Leverkusen, sondern den gesamten deutschen Fußball. Von daher muss man sich als gesamter deutscher Fußball gemeinsam Lösungen überlegen. Die teilweise jährlichen Meinungsänderungen des Bundeskartellamts kann ich nicht nachvollziehen. Es ist die Aufgabe des gesamten deutschen Fußballs, sich einheitlich dagegen zu stellen und eine Konsenslösung zu finden. Da sind wir intelligent genug, das noch zu machen.“

„Über Klagen brauchen wir nicht zu reden, weil ja nichts entschieden ist.““ (Fernando Carro)

Auf die viel zitierte „Konsenslösung“ setzt auch DFL-Präsident und Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke: „Die 36 Klubs wissen, dass wir eine gemeinsame Lösung finden müssen. Alles andere möchte man sich gar nicht ausmalen.“  Darin schwingt unüberhörbar mit: Ohne Einvernehmlichkeit droht eine Klage der bisherigen Ausnahmeklubs – und in diesem Fall sehr wahrscheinlich das Ende der 50+1-Regel. Schließlich bildet diese aus kartellrechtlicher Sicht eine Wettbewerbsbeschränkung, die es speziell zu rechtfertigen gilt. Was in dem Moment vermutlich nicht mehr möglich wäre, wenn Leverkusen oder Wolfsburg auf Bestandsschutz klagen würden.

„Über Klagen“, beschied Carro auf Nachfrage, „brauchen wir jetzt sowieso nicht zu reden, weil ja nichts entschieden ist. Wir haben vom Kartellamt eine vorläufige, rechtlich unverbindliche Stellungnahme. Solange das so ist, müssen wir nicht klagen.“ Was für den Fall eines veränderten Zukunftsszenarios alles offen lässt. Unterdessen erklärt auch Watzke: „Ich glaube, dass noch gar nicht in Stein gemeißelt ist, was vom Bundeskartellamt eigentlich verlangt wird an einzelnen Schritten. Und das Kartellamt hat ja auch ein paar Mal die Richtung deutlich geändert, um es mal vorsichtig zu formulieren.“

Watzke hofft auf den Einfluss des Kanzlers aufs Bundeskartellamt

Unterstützung mit Blick auf die Gesamtgemengelage erhofft sich Watzke nicht zuletzt vom Auftritt seines Duz- und Parteifreundes Friedrich Merz am Dienstag. Während seiner Rede im Rahmen der DFL-Abendveranstaltung hatte sich der Bundeskanzler als großer Befürworter der 50+1-Regel positioniert. Das, so Waztke, könne ja zumindest „atmosphärische Wirkung“ entfalten: „Das hat sicher auch auf politische Institutionen gewissen Einfluss. Das Kartellamt ist ja eine Bundesbehörde, insofern war das sicher hilfreich.“

Parallel dazu schrieb Watzke freilich ebenso Carro und anderen ins Stammbuch: „Ich glaube, dass auch die Klubs mit Ausnahmeregelung an Rechtssicherheit interessiert sind. Und dass sie womöglich auch den einen oder anderen Schritt einleiten müssen unter dem Aspekt Mitglieder-Partizipation.“ Denn: „Wir müssen es im Konsens zwischen Liga-Führung und betroffenen Klubs so lösen, dass es keine Verlierer gibt.“ Sonst, wie beschrieben, droht das Ende von 50+1. Das wollen auch die Ausnahmeklubs nicht – sofern sie de facto Ausnahmen bleiben dürfen. So gesehen sind, bei allen unterschiedlichen Interessenslagen und Weltanschauungen, letztlich doch alle 36 Klubs zum Kompromiss verdammt. In Watzkes Worten klingt das so: „Meine Zuversicht ziehe ich daraus, dass alle Beteiligten wirklich eine einvernehmliche Lösung wollen.“

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