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Brandt: „Es ist nicht so, dass ich sage: Was für ein beschissenes Jahr“

Nicht nur für Borussia Dortmund war die fast beendete Saison ein Wechselbad der Gefühle, sondern auch für Julian Brandt. Lange war der Mittelfeldspieler Gesicht der Krise, inzwischen ist er eines der Gesichter des Aufschwungs.

Dortmunds Regisseur über die schwierige Saison

Es liegen keine 180 Sekunden zwischen den beiden Szenen: Auf der einen Seite der Julian Brandt, der im Defensiv-Zweikampf gegen Florian Wirtz und Jeremie Frimpong nicht zum ersten Mal in diesem Spiel zu zögerlich und passiv agiert und damit entscheidend am Gegentor beteiligt ist. Auf der anderen Seite der Julian Brandt, der nach einem klugen vertikalen Laufweg frei im Strafraum auftaucht und nach Vorlage von Karim Adeyemi überlegt zum postwendenden Ausgleich trifft.

Der Auftritt beim Dortmunder 4:2-Sieg bei Bayer Leverkusen, der später mit einem vorletzten Pass und einer Vorlage für Adeyemi endgültig ins Positive rutscht, war sinnbildlich für das Wandeln von Brandt zwischen den fußballerischen Welten. An guten Tagen, in guten Momenten ist der BVB-Zehner einer, der Spiele entscheiden kann, technisch brillant, mit Auge für den Mitspieler und die richtigen Räume. An schlechten Tagen, in schlechten Momenten gibt er dem Zuschauer Rätsel auf, weil ihm kaum eine Aktion gelingt, die Schultern hängen und er vor allem defensiv zu oft eine seltsame Lethargie ausstrahlt.

Seit Anfang des Jahres und bis Mitte März überwog der zweite Brandt deutlich. Der 29-Jährige spielte schwach, kam in neun Bundesliga-Spielen bis zum Wendepunkt in Leipzig (0:2) auf nur zwei Scorerpunkte und wurde kein einziges Mal besser als mit einer kicker-Note 4 bewertet. Danach aber stieg die Leistungskurve wie beim ganzen Team wieder an, seit Beginn der Siegesserie mit dem 3:1 gegen Mainz Ende März war er an sechs Toren beteiligt und steigerte den Notenschnitt auf eine glatte 3 – und das trotz des krassen Rückfalls beim 2:2 in München, als er zwei Gegentreffer durch das unerklärliche Verweigern eines Defensiv-Zweikampfs verursachte.

Attacken auf Social Media sind Thema der Saison

Also – ein gutes Jahr, ein schlechtes Jahr? „Es war ein lehrreiches Jahr“, befand Brandt in dieser Woche im Interview mit den BVB-Klubmedien: „Es hat mir vielleicht auch ein bisschen zu lange gedauert, dass ich wieder meine Form finde. Grundsätzlich ist es aber nicht so, dass ich jetzt sage: Was für ein beschissenes Jahr.“ Er zieht einen Vergleich zu seiner zweiten Saison beim BVB 2020/21 mit nur vier Scorerpunkten in 45 Pflichtspielen. „Das war jetzt auch kein spielerischer Leckerbissen. Da saß ich viel auf der Bank. Der einzige Unterschied ist, dass sich jetzt natürlich die Kritik ein bisschen zentriert hat.“

„Ich muss nicht derjenige sein, der in den Zeitungen steht. Wenn das aber der Fall ist, dass einer den Kopf hinhalten muss, dann ist das kein Problem.“ (Julian Brandt)

Die zügellosen und teils sehr persönlichen Attacken aus der Anonymität der Sozialen Medien waren ein großes Thema beim BVB in der laufenden Saison, „das war sicherlich viel bei Emre Can dieses Jahr, das war viel bei Nuri Sahin und das war jetzt in der Rückrunde viel bei mir“, findet Brandt. Bei aller berechtigten und sachlichen Kritik landete hier viel deutlich unter der Gürtellinie.

Aber das war nicht das einzige Feedback im Leistungstief. „Das Schlimmste für mich ist dieses ganze Mitleid, was ich bekommen habe“, erklärte Brandt bei Sky. Es gehe da aber nicht um ihn, „ich habe kein Ego-Thema“, findet er: „Ich muss nicht derjenige sein, der dauerhaft in den Zeitungen steht. Wenn das aber der Fall ist, dass einer den Kopf hinhalten muss, dann ist das kein Problem. Ich konnte das ab, mir ging es trotzdem persönlich gut in der Zeit.“

Kovac hat dem Team Halt gegeben

Der späte Aufschwung bei Brandt und beim BVB macht auch der Spieler an Trainer Niko Kovac fest. „Er achtet auf die Kleinigkeiten, die ja oft entscheiden. Da ist er sehr strikt“, erklärt der Mittelfeldspieler. Der Coach finde die richtige Mitte: „Es ist jetzt nicht so, dass wir wie vor dreißig, vierzig Jahren gefühlt in der Schule alle stramm sitzen müssen. Wenn wir arbeiten, dann arbeiten wir und wenn wir Spaß haben, dann haben wir Spaß.“

Dass Kovac sich auch in den Schwächephase vor seinen Spieler gestellt hat und ihn immer wieder in die Startelf berief, hat Brandt „definitiv gut“ getan: „Er hat mir sicherlich einen gewissen Halt in den letzten Monaten gegeben.“

Und so scheinen auch die zwischenzeitlich aufkochenden Wechselgerüchte ein Jahr vor Vertragsende zu verstummen. Brandt selbst beschäftigt sich nach eigener Aussage nicht damit: „Die Planung ist bis 2026 abgedeckelt. Das ist nichts, womit ich mich groß beschäftige. Ich habe keine anderen Pläne gerade.“

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